Eine Falle für Jesus

Spurensuche
Eine Falle für Jesus
16.03.2019 - 10:00
19.07.2019
Ralph Frieling
Über die Sendung:
„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.“ Mit diesem Satz windet sich Jesus aus einer Falle, die ihm missmutige Gelehrte stellten. Ralph Frieling denkt über die Pointe der biblischen Geschichte vom Zinsgroschen nach.

 

 

Rückblick im Interview

Mit einem Trick versuchen einige Pharisäer, Jesus in Widersprüche zu verwickeln (Matthäus-Evangelium 22,15-22). Jesus umgeht diese Falle der Schriftgelehrten mit wenigen Worten. Als Kind habe ich diese Geschichte geliebt. Die Frage, um die es geht: Soll man Steuern bezahlen oder nicht?

In einem fiktiven Interview trifft ein politischer Korrespondent der Jerusalemer Morgenpost Jahre später einen alt gewordenen Pharisäer.

PK Haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen für dieses Interview, gelehrter Herr!

N  Nennen Sie mich einfach Nikodemus. In meinem Alter gebe ich nicht mehr viel auf Ehrentitel.

PK Nun, Nikodemus, es muss schon 20 Jahre her sein, dass Sie von Jesus von Nazareth hörten. Ich möchte mit Ihnen über diese Sache mit dem Zinsgroschen sprechen.

N  Tja, meine Kollegen im Hohen Rat hatten mir davon erzählt. Und, um es gleich zu sagen, ich war entsetzt.

PK Worüber?

N  Dass meine Mit-Gelehrten ihm diese Falle stellten, um ihn in seinen Worten zu fangen. Ich fiel aus allen Wolken. Ich mochte Jesus. Aber vor allen Dingen widersprach diese List allem, woran ich als Pharisäer glaube.

PK Was ist das?

N  Sehen Sie, wir Pharisäer lieben Diskussionen. Die Wahrheit zeigt sich im Austausch. Wir Pharisäer haben zu Unrecht diesen schlechten Ruf bekommen, dass wir immer nur Streit suchten. Im Gegenteil. Wir lieben die Bibel und diskutieren über sie mit Leidenschaft. Jesus hat das übrigens auch gemacht.

PK Sie suchen keinen Streit?

N  Nein. Wir suchen Gott.

PK In dem Fall mit dem Zinsgroschen war das anders.

N  Wie gesagt, es empörte mich, dass andere Pharisäer vorgaben, mit Jesus eine theologisch-knifflige Diskussion führen zu wollen.

PK Am Ende war es wohl nur knifflig.

N  Sie wollten Jesus vorführen. Hätte er auf die Frage: „Ist es recht, dem Kaiser Steuern zu bezahlen?“ mit Ja geantwortet, hätte es geheißen: „Seht her, er, der Prediger, kollaboriert mit den römischen Besatzern.“ Das hätte ihn unglaubwürdig gemacht. Hätte er Nein gesagt, hätten sie gesagt: „Er ruft zum Aufstand gegen Rom auf.“ Ein Grund, ihn zu verhaften. Deshalb hatten sie ja auch gleich Beamte von König Herodes mit genommen. Zum Glück ist er nicht in diese Ja-Nein-Falle getappt und hat schlagfertig geantwortet.

PK Diesen Schlagabtausch gewann er.

N  Ja. Er ließ sich eine Silbermünze geben. Fragte, wessen Bild darauf sei...

PK     ... das Bild des Kaisers...

N  ... und sagte nur: Gebt dem Kaiser, was ihm gehört, und Gott, was Gott gehört. Punkt.

PK Mit dieser Retourkutsche hat Jesus sich aus der Affäre gezogen. Wenn man die Botschaft aber ernst nimmt, dann sind Glaube und Politik also getrennt?

N  Einerseits ja. Mein Glaube ist völlig unabhängig von der politischen Situation. Gott ist immer Gott, egal wer regiert, und die Gebote Gottes sind für mich wichtiger und tiefgreifender als die Frage, wer die Steuer eintreibt und was damit passiert.

PK Und andererseits? Gehören Glaube und Politik doch zusammen?

N  Ja, natürlich. Schauen Sie doch, was Jesus getan hat. Er hat die Menschen am Rand gesehen. Die Ehebrecherin, die fast gesteinigt wurde. Den Vater, der vor Sorge um seinen leidenden Jungen selbst krank wurde. Sogar diesem korrupten Steuereintreiber Zachäus, dem hat er einen neuen Anfang zugetraut. Alles Menschen, die er respektiert und ins Licht gerückt hat.

PK Das klingt eher nach Privatangelegenheiten, in denen Jesus geholfen hat.

N  Jesus hat klar Position bezogen für die Außenseiter, allerdings, da gebe ich Ihnen Recht, ohne für eine politische Richtung zu stehen. Er wollte nicht Einfluss nehmen und keine Entscheidungen treffen wie es Politiker tun müssen. Aber er hat gerade damit soviel verändert, auf der Seite dieser Menschen, die keiner wollte.

PK Worin genau sehen Sie hier das Politische?

N  Sie stellen Fragen. Worin sehen Sie das Un-politische?

PK Naja, einzelnen Menschen zu helfen, sie zu heilen, sie aus der Ecke und aus der Einsamkeit zu holen, das sind sicher gute Taten. Aber worin liegt der große politische Wurf? Die Veränderung?

N  Schon allein, wenn Sie einzelnen Menschen helfen, dann verändern Sie eine Menge. Ob Sie das nun politisches oder gesellschaftliches Engagement nennen oder nicht. Sie tun etwas aus Ihrer Überzeugung oder aus Ihrem Glauben. Und dann hat das, vielleicht öfter als Sie meinen, Auswirkungen auf das große Ganze.

Danke für das Gespräch!

 

19.07.2019
Ralph Frieling