In bester Gesellschaft

Wort zum Tage
In bester Gesellschaft
24.08.2020 - 06:20
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Woran erkennt man eigentlich einen Christen? Rein äußerlich betrachtet. Wahrscheinlich gibt es darauf nicht die eine richtige Antwort. Mir stehen da drei Figuren vor Augen. Aus Bronze. Sie halten seit mehr als einem halben Jahrhundert dem Wetter an der Außenseite einer Kirche stand. Ihre Gesichter erzählen mir viel über menschliche Tiefe und über Schönheit: Eine Frau, die im Wind zu stehen scheint, ist die erste von links. Sie ist eingehüllt in ein weites Gewand. Anmut verbindet sich geheimnisvoll mit dem erkennbar festen Stand ihrer Füße. Woher kommt diese Zuversicht, frage ich mich mit Blick auf ihre Füße. Neben ihr steht ein Bettler. Er stützt sich mehr auf seine beiden Krücken als das er selbst noch steht. Sein zum Himmel gehaltenes Gesicht ist zum Erbarmen: Wie schmerzergeben. Als ob er lauscht zwischen dieser und einer anderen Welt. Zweifel und Zwiesprache mit dem Himmel fließen in seinem Gesicht zusammen. Eigentlich betet er mehr als dass er bettelt. Ob das eine allerdings so klar vom anderen zu trennen ist? Neben dem betenden Bettler oder bettelnden Beter steht ganz in sich ruhend der Dritte: wie nicht von dieser Welt - ein singender Klosterschüler. Vor 90 Jahren wurden sie alle drei geschaffen. Sie sind die Heiligen-Gemeinschaft, die in jenem Jahr der Erschaffung - 1930 war das - allerdings nicht ganz vollständig war. In den Außen-Nischen an der Kirche wäre Platz für mehr gewesen. Aber der Protest war laut. So etwas schien man nicht sehen zu wollen – solche Verletzbarkeit, die Verbindung aus Ergebung und Seligkeit. Es waren Zeiten, die den Schatten der Menschenverachtung schon warfen. Die Reihe der Heiligen, die die Lübecker Kirche von außen schmücken sollte, wurde erst vollendet nach dem frühen Tod des Schöpfers dieser Gemeinschaft der Heiligen, Ernst Barlach. Seine drei Nischen-Gestalten erzählen von Ohnmacht und der Kraft des Gebets ohne Worte. Ernst Barlach hätte sich selbst nicht als Christ bezeichnet. Aber er wäre in bester Gesellschaft gewesen zwischen seinen „Heiligen“, die [ihre Wunden und Tränen nicht verstecken, die aber] einen Weg zu Gott suchen – und wer weiß: Gott vielleicht auch Wege zu ihnen. Die sich ihrer Schwäche nicht schämen, sondern darin sich selbst als Menschen erkennen können; die auch den Kopf in den Wind halten, ein Lied anstimmen aus der Tiefe ihrer Seele oder bitten wie der Bettler – das Gesicht himmelwärts. Gottsucher eben. Wie Christen aussehen? Ich würde sagen: Verletzlich, manchmal sogar verwundet auf Krücken, singend vielleicht, standfest bei Gegenwind. Manchmal alles auf einmal.