Altersvorsorge

Wort zum Tage
Altersvorsorge
12.02.2020 - 06:20
03.01.2020
Florian Ihsen
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Morgens um halb sieben wird Johann geweckt. Er steht auf, geht ins Bad zieht sich an. Jeden Tag die gleiche graue Hose und den Wollpulli. Die mag er am liebsten. Er geht frühstücken, spazieren, fernsehen, Mittag essen. Schlafen, Kaffee. Nachmittagsprogramm. Abendessen. Fernsehen. Schlafen. Tägliche Routine. Und einmal die Woche ist er im Gottesdienst.

Johann ist Ende 80 und lebt im Pflegeheim. Wenn ich ihn im Aufzug treffe, auf dem Weg in den Garten oder den Speisesaal, lacht er freundlich. Unsere Gespräche bleiben bei: Wie geht’s? - Gut-Und Ihnen? Auch gut. Einen schönen Tag für Sie. Ins Gespräch kommen wir nicht. Denn weitere eigene Worte fehlen ihm. Johann ist dement. Er erinnert sich nicht mehr an seine Frau und seine frühere Wohnung. All das ist wie weg. Und seine Sprache scheint nur noch eine Handvoll Worte zu kennen. Guten Morgen. Wie geht’s? Guten Appetit, gute Nacht.

Doch eine Sprache beherrscht Johann noch und zwar ganz ausgezeichnet: Die Sprache der Musik. Im Nachmittagsprogramm in seinem Wohnbereich sitzt er, der frühere Hobbymusiker, regelmäßig am Klavier. Die anderen Mitbewohnerinnen kommen mit Rollator und Rollstuhl und es ist: Musikstunde. Die alten Herrschaften singen, bewegen sich in ihren Stühlen und Rollstühlen, schunkeln, klatschen. Johann begleitet sie am Klavier. Alles auswendig und nahezu fehlerfrei. Und wenn im Gottesdienst „Lobe den Herrn“ gesungen wird – kennt Johann alle fünf Strophen auswendig.

In unserer älter werden Gesellschaft spielt Vorsorge für das eigene Alter eine wichtige Rolle. Dazu gehört für mich auch die Vorsorge für die Seele. Lieder sind mit die besten Kapitalanlagen für Seele und Gehirn.

Im Vergleich zu anderen Teilen des Gehirns bleibt das musikalische Langzeitgedächtnis bei hochbetagten und dementen Menschen besonders lange erhalten. Das meiste schwindet, die Musik bleibt.

Meine spezielle Altersvorsorge heißt „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Ein Lied, das mich seit meiner Schulzeit begleitet. Ich kann alle Strophen auswendig, singe es gern im Gottesdienst oder auch mal für mich daheim. Dieses Lied bringt mein Leben und meinen Glauben besser als bloße Worte zum Klingen. Und ich vertrau der Kraft dieses Liedes auch für den Fall, dass ich selber mal sehr alt oder dement werde.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

03.01.2020
Florian Ihsen