„Big Five“-Fragen: Elefant

Wort zum Tage
„Big Five“-Fragen: Elefant
24.02.2021 - 06:20
18.02.2021
Pfarrerin Kathrin Oxen
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Wenn ich irgendwo hinkomme, ist manchmal ein Elefant im Raum. Das hat weniger mit meiner Konfektionsgröße zu tun als mit der Tatsache, dass ich Pfarrerin bin. Dieser Elefant ist auch ein Mitglied der „Big Five“ und die Frage, für die er steht, lautet: Kann man auch ohne Kirche glauben?

Sehr oft habe ich erlebt, dass Menschen beginnen, sich vor mir zu rechtfertigen, wenn sie erfahren, dass ich Pfarrerin bin. Je kirchenferner der Kontext, desto häufiger passiert das. Ich habe dann manchmal das Gefühl, gar nicht mehr durch eine normale Tür zu passen, weil ich irgendwie die ganze große, alte und manchmal auch graue Institution „Kirche“, diese Elefantenkuh, verkörpere. Mir ist schon klar, dass die Begegnung mit einem der seltener werdenden Exemplare der Spezies „Christin“ manchmal Fragen aufwirft. Das ist mir auch allemal lieber als freundliches Desinteresse.

Ich frage aber normalerweise Menschen nicht in den ersten Minuten eines Gesprächs danach, wie sie es mit dem Gottesdienstbesuch halten. Ich erfahre das aber häufig gleich in den ersten Minuten eines Gesprächs. „Wissen Sie, ich bin ja nicht so ein Kirchgänger. Aber ich habe meinen persönlichen Glauben. Und man kann ja auch ein guter Mensch sein, ohne jeden Sonntag in die Kirche zu rennen.“ Nach so einer Gesprächseröffnung kommt dann häufig ein schneller Themenwechsel. Und ich fühle mich irgendwie elefantös, zwischen ehrfurchtgebietender grauer Riesin und vom Aussterben bedroht. Ob meine Gesprächspartner eigentlich immer merken, dass meine Existenz als Pfarrerin ernsthaft bedroht wäre, wenn man auch ohne Kirche glauben könnte? Mich bräuchte man dann jedenfalls nicht mehr unbedingt.

 

Im Ernst: Es geht mir nicht um die Beharrungskräfte der Kirche als Institution. Die finde ich zum Teil auch eher elefantös. Die Form, in der die Kirche als Kirche existiert, steht auch nicht unter Naturschutz. Sie muss evolutionär bleiben und sich an veränderte Lebensbedingungen anpassen. Aber ohne Gemeinschaft ist Glauben schwer. Was mache ich, wenn mich Zweifel anfallen wie ein Raubtier, wo sonst erlebe ich Geborgenheit in einer Gruppe, wie lerne ich ohne Austausch und Begegnung? Elefanten jedenfalls ziehen sich nur zum Sterben in die Einsamkeit zurück. Alles andere tun sie gemeinsam, helfen und unterstützen einander. Sie lernen von den Alten und sie lehren die Jungen, wie das Elefantenleben geht. Eine Gemeinde als Elefantenherde ist nicht unbedingt ein biblisches Bild. Aber je länger ich überlege, desto besser gefällt es mir.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.02.2021
Pfarrerin Kathrin Oxen