„Big Five“-Fragen: Nashorn

Wort zum Tage
„Big Five“-Fragen: Nashorn
26.02.2021 - 06:20
18.02.2021
Pfarrerin Kathrin Oxen
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Das nördliche Breitmaulnashorn ist vom Aussterben bedroht. Es gibt sehr aufwendige Versuche, den beiden letzten lebenden weiblichen Tieren Eizellen zu entnehmen, um sie mit dem eingefrorenen Samen des schon gestorbenen letzten Nashornbullen zu befruchten und dann in Nashorn-Leihmüttern austragen zu lassen. Ein verzweifelter Kampf gegen den Tod einer Art. Ob er erfolgreich sein wird, weiß man noch nicht.

Als Person bin ich in meiner Art mindestens so selten wie das nördliche Breitmaulnashorn. Niemand ist so wie ich, niemand war so wie ich und niemand wird je wieder so wie ich sein. Ich bin selten und einmalig. Und vom Aussterben bedroht, denn mein Leben endet ja irgendwann mit dem Tod.

Die letzte der großen Fragen zu den „Big Five“ der afrikanischen Tierwelt ist deswegen eine Nashorn-Frage, genauer gesagt, eine „nördliches Breitmaulnashorn-Frage“: Was kommt nach dem Tod? Was bleibt von mir?

Als Pfarrerin werde ich manchmal für eine Expertin in dieser Frage gehalten. In einer Hinsicht stimmt das natürlich. Ich kann über die Jenseitsvorstellungen meiner eigenen und die anderer Religionen Auskunft geben, über die christliche Auferstehungshoffnung referieren und über die Frage, was eigentlich aus den Toten wird und wo sie sind. Aber dieses ganze theoretische Wissen um mögliche Antworten schützt mich nicht davor, Fragen zu stellen.

Ich habe das im vergangenen Jahr nach dem Tod meines Vaters erfahren. Ich habe gemerkt, dass die Vorstellung von einem vergänglichen Leib und einer unsterblichen Seele – die im Übrigen keine christliche Vorstellung ist – für mich als Trauernde wenig Tröstliches hat. Ich hatte und habe kein Gefühl einer irgendwie fortwährenden Anwesenheit, sondern nur das einer kompletten und endgültigen Abwesenheit. Mir bedeutet das Grab auf dem Friedhof sehr viel und die enge Verbindung zu den Menschen, die meinen Vater genauso vermissen wie ich. Ich kann etwas mit dem biblischen Bild der Saat anfangen, von dem Paulus schreibt, vom Werden und Vergehen und Neu-werden. Und ich habe auch gelernt, dass nach dem Tod zu den Lebenden die Frage kommt, wie sie ihr Leben eigentlich leben wollen.

Ehe ich mich zu sehr mit der spekulativen Nashornfrage beschäftige, was nach dem Tod kommt, will ich lieber fragen, wie ich eigentlich leben will und was von mir bleiben soll. Darüber lohnt es sich nachzudenken. In der theologischen Fachsprache nennt sich das „produktive Beunruhigung“.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.02.2021
Pfarrerin Kathrin Oxen