Botticelli

Wort zum Tage
Botticelli
13.07.2020 - 06:20
25.06.2020
Hannes Langbein
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Es muss ein betörend schönes Bild gewesen sein: Sandro Botticellis „Madonna mit Kind und singenden Engeln“ im Berliner Kaiser-Friedrich Museum, der heutigen Gemäldegalerie. Das kreisrunde Bild, 1477 gemalt, zeigt die Gottesmutter mit dem Jesuskind umringt von Engeln, jeder eine weiße Lilie in den Händen. Eine ausgeklügelte Komposition hält die Figuren dicht beieinander. Wir kennen das Bild nur schemenhaft. Denn es fiel im Zweiten Weltkrieg einem Luftangriff zum Opfer. Nur ein Schwarzweißfoto und Beschreibungen des Bildes sind uns überliefert. Eine der eindrücklichsten von Paul Tillich.

Paul Tillich, der große Kulturtheologe des 20. Jahrhunderts, hatte das Bild mitten im Ersten Weltkrieg, auf Fronturlaub, gesehen – und sich sofort in das Bild verliebt: „Als ich in Berlin ankam“, schreibt er, „eilte ich zum Kaiser Friedrich Museum. Dort hing ein Bild an der Wand, das mir in der Schlacht Mut zugesprochen hatte. Als ich es anstarrte, empfand ich einen Zustand, der demjenigen der Ekstase ähnlich ist. In der Schönheit dieses Gemäldes war die Schönheit-Selbst anwesend. Sie strahlte durch die Farben des Gemäldes hindurch wie das Tageslicht durch die bunten Glasfenster einer mittelalterlichen Kirche. Als ich dort stand und mich in der Schönheit badete, die der Maler vor so langer Zeit in den Blick genommen hatte, durchwaltete mich etwas vom göttlichen Ursprung aller Dinge.“ Eine geradezu überirdische Schönheit muss von diesem Bild ausgegangen sein. Paul Tillich findet in dem Bild alles, was er in den dunklen Tagen des Krieges vermissen musste: Anmut und Schönheit. Balsam und Heilung für die geschundene Seele.

Können Bilder heilen? – „Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht sattsehen. Und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen. Ach, dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen!“ – Das schreibt der große protestantische Liederdichter Paul Gerhardt in seinem berühmten Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippen hier“ - und fasst damit für mich die heilende Kraft eines Bildes zusammen: Da leuchtet etwas tief in meine Seele hinein. Da berührt etwas berührt, das mich innerlich stärkt und Kraft gibt. Was das genau ist, muss jeder für sich selbst erfahren. Für Paul Tillich war es in Botticellis Marienbild.

Welche Bilder tun Ihrer Seele gut?

 

Es gilt das gesprochene Wort.

25.06.2020
Hannes Langbein