Brüder sein

Wort zum Tage
Brüder sein
„Zwei Päpste“
28.01.2020 - 06:20
03.01.2020
Barbara Manterfeld-Wormit
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Erst dachte ich, ich säße im falschen Film: Ein entspannter Abend mit Freunden – gutes Essen, guter Wein. Anregende Gespräche. Dann der Vorschlag: „Wir könnten noch einen Film gucken. Ich hab da mal was ausgesucht“, meinte der Gastgeber, während wir bereits mit unseren Gläsern aufs bequeme Sofa sackten. „Die zwei Päpste“ – und schon sank meine Stimmung bei dem Titel etwas in den Keller. Ist es doch so, als wenn man dem Arzt nach Feierabend mit einer Krankenhausserie kommt oder dem Anwalt mit einem Gerichtsdrama. Feierabend geht anders. Nun also ein Film mit zwei Päpsten für mich als protestantische Pfarrerin. Mit Anthony Hopkins als Benedikt – den kannte ich vom „Schweigen der Lämmer“. Einen Versuch war‘s wert.

Was soll ich sagen: Es wurde ein wunderbarer Filmabend. Ein spannendes, zuweilen witziges Zusammentreffen von Benedikt und Franziskus – noch zu Amtszeit des Papstes aus Deutschland. Die Geschichte zweier Persönlichkeiten, die gegensätzlicher kaum sein könnten: Konservativ, bewahrend und dogmatisch der eine – ein Hardliner – spontan und auf Erneuerung der Kirche bedacht der andere. Die beiden nähern sich an bei einer persönlichen Begegnung zunächst im Castello Gandolfo – und später bei einem erneuten Zusammentreffen in Rom. Stück für Stück offenbaren sie einander dabei ihre Lebensgeschichte, gestehen einander Schwächen und Zweifel. Und das Überraschende geschieht: Gerade in ihrem Anderssein und Andersdenken, gerade in der Schwäche geben sie einander Halt. Hier eine Schlüsselszene: Die beiden diskutieren miteinander ihre gegensätzlichen Sichtweisen auf Glaube, Kirche, Papstamt. Die Stimmung wird zunehmend gereizter, die Stimmen lauter. Man ahnt: So kann es keine Annäherung geben. Da wendet sich Benedikt abrupt ab und beendet die Diskussion. Er wolle nicht weiter reden. Bloß gemeinsam essen. Dann wendet er sich dem anderen wieder zu mit den Worten: „Heute Abend wollen wir nicht streiten. Heute Abend wollen wir Brüder sein.“ Eine beeindruckende Szene. Starke Sätze. Ich nehme sie mit in meinen Tag – in meine nächste Auseinandersetzung. Die Kunst des Umschaltens auf eine andere Ebene, auf die Gott uns ja gestellt hat: einander Bruder und Schwester sein – bei allem Trennendem, bei allen Gegensätzen – und wenn es nur für den Augenblick ist. Miteinander essen, trinken, erzählen, Leben teilen. Und dabei plötzlich den anderen mit anderen Augen sehen: mitfühlender, verletzlicher, ehrlicher. Nicht als Feind oder Gegenspielerin. Mit diesem guten Satz beginne dieser Tag: Heute wollen, heute dürfen wir einfach Geschwister sein.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

03.01.2020
Barbara Manterfeld-Wormit