Dann fühl‘ ich mich im Himmel

Wort zum Tage
Dann fühl‘ ich mich im Himmel
08.06.2019 - 06:20
28.02.2019
Autor des Textes: Michael Becker
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Das Leben verstehen ist einfach, sagt Steffi. Sie muss es wissen. Sie hat viel Leben gehabt in ihren gut vierzig Jahren. Zwei Ehen, zwei Kinder, die Eltern bewirtschaften noch ihren Bauernhof mit Eifer und Mühe. Steffi fährt Auto. Teilt Essen auf Rädern aus. Sonst hilft sie Älteren, die nicht mehr alleine können. Das Geld reicht ihr. Leben verstehen ist einfach, sagt Steffi. Man muss nur wissen, worum sich alles dreht. Alles im Leben. Da gibt’s nur eins: Im Leben dreht sich alles um Wert. Jeden Tag, jede Stunde. Man muss nur sehen, wie Menschen sich anschauen. In ihren Augen liegt immer die Frage: Ist der andere schöner, jünger, reicher? Bin ich klüger, hübscher, eleganter? So geht es zu, sagt Steffi. Überall, wo Menschen sich treffen, vergleichen sie. Viele Lebensjahre, aber immer nur eine Frage: Was bin ich wert? Wem bin ich wertvoll? Kann ich mithalten? Solange man sich wertvoll fühlt und das auch hört, sagt Steffi, ist alles im grünen Bereich. Ernst wird die Lage, wenn es nicht mehr läuft wie geschmiert. Wenn einen Kinder oder Ehepartner verlassen, die Arbeit gekündigt wird; wenn die Beine nicht mehr wollen oder der Kopf nachlässt. Dann fragt man heftiger: Was bin ich wert, wenn mir weniger gelingt? Bin ich noch wichtig, wenn ich gepflegt werden muss? Selbst noch im Heim will man gut sein oder fitter oder beliebter als andere. Denn das braucht man zum Leben: Wertvoll sein. Die Frage hört nie auf, sagt Steffi.

Die Antwort auch nicht. Steffi weiß ihre Antwort. Schlimm ist doch, sagt sie, wenn man sich selber antworten muss. Das geht nicht gut. Sich selbst unterschätzt man leicht. Oder überschätzt sich. Man kann sich selber nicht wertvoll machen, sagt Steffi nach zwei Ehen, die ihr misslingen. Wert muss von draußen kommen. Das ist das Beste, was man bekommen kann im Leben, egal ob alt oder jung, gesund oder krank. Jeder Mensch braucht einen, mindestens einen, der dir öfter einmal sagt: Du bist mir wert. Jedes Wort betont sie. Oder es nicht sagt, aber es zeigt dem, der hilflos im Bett liegt: Du bist mir wichtig. Das ist doch Glück, sagt Steffi, als sei Gott ganz nahe. Wertvoll sein. Irgendwie, irgendwem. Dann fühl‘ ich mich im Himmel.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

28.02.2019
Autor des Textes: Michael Becker