Dem Frieden nachjagen

Wort zum Tage
Dem Frieden nachjagen
20.12.2019 - 06:20
12.12.2019
Lukas Pellio
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

„Give peace a chance! All we are saying is give peace a chance.“

Karin, Herwig, Wolfgang und Carl.

Dezemberkälte. 1983.

Sie ziehen nachts los.

Einen Bolzenschneider in der Hand. Axt und Hammer unterm Arm.

Die Zeit der Lippenbekenntnisse ist vorbei.

 

Demonstriert hatten die vier zwischen 300.000 im Bonner Hofgarten.

300.000 – und diese vier gegen das kalte Wettrüsten in der Bundesrepublik. Karin, Herwig, Wolfgang und Carl waren Teil der Pflugscharbewegung, die sich in den 80er Jahren in der Bundesrepublik und den USA mit solchen Aktionen bekannte. Pflugschar wegen Micha, dem biblischen Propheten:

Schwerter zu Pflugscharen. Speere zu Winzermessern.

Die Schwerter hatten alle vor Augen: Mittelstreckenraketen neuen Typs. Von Mutlangen bis Moskau in 12 Minuten. Pershing-II.

„Seit zwei Jahren“, sagt Karin zu Herwig, Wolfgang und Carl, „seit zwei Jahren immer wieder raus auf die Straße.

Was machen wir, wenn sie uns noch immer nicht zur Kenntnis nehmen?

Was können wir noch tun?

 

Kleines Loch im Zaun. Durchgekrochen. Unten am Hang der LKW.

Wolfgang zögert, er weiß nicht recht.

Weiß nicht recht wohin mit seinem Hammer.

„Gehen wir zu weit? Ernsthaft, gehen wir zu weit?“

 

Der Transport und Abschuss von Pershing-II-Raketen sollte mit diesem LKW geübt werden.

Eben war er noch startklar. Ein paar Hammerschläge später ist er es nicht mehr.

22.000 DM Sachschaden.

Von diesem LKW werden so bald keine Raketen auf die Reise geschickt.

Es sind zwar noch keine Pflugscharen und Winzermesser daraus geschmiedet, aber der erste Schritt ist getan.

 

Mit Hämmern und Äxten rückten sie dem Kriegsgerät zu Leibe und nach getaner Arbeit blieben sie und warteten.

Mussten lange auf ihre Festnahme warten. Sitzen neben dem LKW und singen.

„Give peace a chance! All we are saying is give peace a chance.“

Zeit zu fliehen wäre genug gewesen. 10 Minuten und noch immer war ihr Werk unerkannt.

Die Soldaten kamen und standen vor Karin, Herwig, Wolfgang und Carl.

Standen da und hörten ihr Lied. Standen einfach da und hörten ihr Lied.

 

„Suche Frieden und jage ihm nach!“ (Ps 34,15) Mit der Jahreslosung 2019 habe ich lange gefremdelt.

Dann bin ich in einer alten Ausgabe des „Spiegel“ auf diese Geschichte aus Mutlangen gestoßen.

Wie die vier das Wort von den Schwertern zu Pflugscharen praktisch auslegen, das hat mich überzeugt: Den Frieden kann man jagen. Friedfertig und radikal.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

12.12.2019
Lukas Pellio