Der Name Gottes

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Cherry Laithang

Der Name Gottes
von Pfarrerin Melitta Müller-Hansen
03.06.2023 - 06:20
19.04.2023
Pfarrerin Melitta Müller-Hansen
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Es sind nur vier Buchstaben in der Bibel. J H W H. „Jahwe“. Aber in diesen vier hebräischen Buchstaben steckt das ganze Geheimnis Gottes.  „Ich bin da“, „Ich werde sein, der ich sein werde“. Das Überraschende: Gott ist kein Hauptwort, so sehr es danach aussieht, sondern ein Zeitwort. „Gott geschieht“ hat vor Jahren einmal ein Theologe gesagt, und hat damals einen wahren Sturm der Entrüstung ausgelöst. Zu sehr hatte man sich an ein höheres Wesen im Himmel gewöhnt. Ein anderer sagte: Gott ist ganz anders und traf damit den Ton unserer Sprachlosigkeit. Kein Wort, kein Bild, nichts kann Gott fassen. Verborgen ist Gott, abwesend-anwesend. Und deshalb erzählt die Bibel immer wieder: Nicht der Mensch stellt sich Gott vor, sondern Gott stellt sich dem Menschen vor. „Ich bin da“, ich werde sein, der/die ich sein werde –mit diesem schwebenden, auf nichts fixierbaren Namen stellt Gott sich dem Mose vor. Das ist alles, was ein Mensch braucht oder von Gott wissen muss. Ich bin die ganze Wirklichkeit. Gegenwärtig, präsent, in Beziehung.

„Jahwe.“ Wenn Sie heute eine Bibel aufschlagen, in der Übersetzung von Martin Luther etwa, werden Sie diesen Namen Gottes selten darin finden. Dafür steht da      6 800-mal „Herr“. Wahrscheinlich steckt die jüdische Tradition dahinter, in der absolut vermieden wird, den Namen Jahwe auszusprechen. Wo er steht, lesen Juden „Adonai, Herr!“ Luther hat das in seine Übersetzung übernommen. Das ist nun so, wie wenn man einen Mann nicht bei seinem Eigennamen „Michael“ ruft, sondern ihn nur noch „der Herr Direktor“, oder „der Chef“ nennt. Das ist er vielleicht auch, aber alles andere, was Michael noch sein könnte – der Zärtliche, der Verspielte, der Freund, der Geliebte - die ganze schillernde Persönlichkeit geht damit verloren. So auch beim Gottesnamen: Der Herr kann noch ein Vater, ein Krieger, ein König, ein Richter sein. Aber ein Bruder oder ein Freund kann er schon nicht mehr sein. Und erst recht kann man nicht von ihm sagen: „Er tröstet, wie einen seine Mutter tröstet“. Ich mag alle diese Bilder, in die Menschen Gott packen. Auch Bräutigam, auch Geliebte, oder Hebamme. Burg, Fels, Quelle.

Am liebsten ist mir dieses schillernde Dasein, Gottes „Ich bin da“.  Wenn ich es ausspreche, gilt es auch für mich. Und der Grundsatz: du wirst selbst zu dem, was du anbetest, stimmt. Wenn ich „Ich bin da“ anrufe, wenn ich die Lebendige bei diesem Namen rufe, werde ich selbst gegenwärtig.

Es gilt das gesprochene Wort.

19.04.2023
Pfarrerin Melitta Müller-Hansen