Der Traum der Sabbatruhe

Wort zum Tage
Der Traum der Sabbatruhe
26.10.2018 - 06:20
07.09.2018
Eberhard Hadem
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Wenn heute Abend die Sonne untergeht, beginnt für Menschen jüdischen Glaubens der Schabbat. Ein ganzer Tag Ruhe, von Freitagabend bis zum Sonnenuntergang am morgigen Samstag. Religionsgeschichtlich nimmt der christliche Sonntag die Idee des jüdischen Schabbats auf. Sechs Tage ist Zeit für alles andere, aber am siebten Tag gibt es eine Auszeit. Da ist Zeit für Hockey spielen, Radfahren, Gottesdienst feiern, Freunde treffen. In der Schöpfungserzählung der Bibel hat Gott am siebten und letzten Tag sozusagen die Ruhe erschaffen. In meiner Phantasie stelle ich mir vor, die Ruhe könnte wie eine Person handeln, denken und fühlen. Was könnte sie gedacht haben, als sie geschaffen wurde? Und wie würde sie von sich sprechen? Vielleicht so: „Ich bin etwas Besonderes einfach dadurch, dass es mich gibt. Doch zu mir, zur Ruhe zu finden, ist nicht einfach. Ich kann ja nicht selber etwas dafür tun, dass mich jemand entdeckt! Ich bin nur dann wirklich da, wenn mich jemand sucht und findet, wie ein verlorenes Geldstück unterm Sofa an der Wand, das darauf warten muss, gefunden zu werden. Auch im Großen bin ich nicht einfach vorhanden und zu haben. Man muss mich entdecken oder mich einlassen. Ich bin da am Ufer eines Meeres, wenn die Menschen dem Rauschen der Wellen lauschen. Ich hülle mich ins Schweigen oder auch in die Geräusche des Waldes, in den Wind auf den Bergen oder in die kühlen Nachtwinde der Sandwüsten. Ich bin auch da, wenn morgens die Sonne aufgeht. Überall lasse ich mich gerne finden“. So könnte die Ruhe sprechen, stelle ich mir vor. Im Bericht der Bibel endet der siebte Tag mit einer Besonderheit: Er ist der einzige Tag, von dem es nicht heißt: Aus Abend und Morgen ward der Tag vollendet. Ich verstehe das offene Ende so, dass die Ruhe immer schon auch in den anderen sechs Tagen verborgen ist. Sie ist frei und kann jederzeit und überall hinwandern und ein besonderer Ort, eine besondere Zeit werden. So kann ich auch an Werktagen eine Zeit und einen Ort entdecken für ein Stück Schabbat, für ein Stück Sonntagsruhe. Wenn mir das gelingt, merke ich, wie sich mein Tag verändert, und ich mich mit ihm. Deshalb berührt mich die jüdische Sorgfalt, mit der viele Juden ihren Schabbat einhalten. Die Ruhe dieses Tages ist ein wertvoller Schatz. Und ich wünsche mir, wir Christen würden genauso beharrlich bleiben. Nicht nur im Verteidigen des Sonntags, sondern vor allem darin, diesen Tag mit Leben zu füllen. Dann ist Sonntag mehr als nur das Wochenende. Und Wochentage könnten mehr als Arbeitstage sein, mit ein Stück Sonntagsruhe darin. Die Ruhe suchen und finden – was für ein Schatz!

 

Es gilt das gesprochene Wort.

07.09.2018
Eberhard Hadem