Der Traum vom Frieden

Wort zum Tage
Der Traum vom Frieden
16.01.2020 - 06:20
12.12.2019
Michael Becker
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Eine Jahrhundertidee war das, geboren auch vor hundert Jahren. Die Schrecken des Ersten Weltkriegs waren noch in vielen Gesichtern, da schlug der amerikanische Präsident Wilson einen „Völkerbund“ vor. Alle Völker guten Willens sollten sich verbünden, damit es nie wieder Krieg gibt. Es verbündeten sich aber nicht alle. Als der neue Völkerbund im Januar vor hundert Jahren seine Arbeit in Genf aufnahm, waren gut dreißig Nationen dabei. Amerika nicht, Deutschland auch nicht. Der große Traum vom Frieden, der Völkerbund, begann eher zögerlich. Und stellte seine Arbeit bald wieder ein. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Traum wiederbelebt, als Vereinte Nationen. Alle Völker der Welt haben Gesandte in New York, die über den Frieden der Welt wachen sollen.

Und es oft nicht schaffen, Gott sei’s geklagt. Weil dem Traum vom Frieden etwas im Weg steht, was viele oder alle Völker für mindestens ebenso wichtig halten: die eigenen Interessen. Frieden und nationale Interessen passen oft nicht zusammen. Zum Frieden kann Verzicht gehören, sogar ein Opfer. Wer das ablehnt, findet keinen Frieden. In der Welt nicht und am Gartenzaun auch nicht. Oft endet der Traum vom Frieden schon an meinen Interessen.

Dabei will ich doch Frieden; ich sehne mich danach. Frieden im Mietshaus, auf der Straße, am Arbeitsplatz. Frieden in der Familie. Suche Frieden, bittet mich die Bibel, und jage ihm nach. Es dient meinem Wohlgefühl. Ich liebe friedliche Worte und Gesten, Frieden um mich herum. Wenn nur meine Interessen nicht wären und die seltsame Lust am Gewinnen eines Streits. Manchmal um jeden Preis. Da gibt’s nur eins: ich muss verzichten lernen. Zur Not ein Opfer bringen. Wie der Mann mit den drei Geschwistern, der erzählte, dass er des Streits ums Erbe überdrüssig war. Er ging zum Anwalt und erklärte seinen Verzicht aufs Erbteil. Mein Friede ist wichtiger, sagt er, als mich noch jahrelang mit den Geschwistern zu zanken. Oder nur über Anwälte zu reden. Jetzt hat er Ruhe. Und freut sich daran. Ein Gewinn im Irgendwann ist mir nicht so wichtig wie der Friede jetzt, sagt er. Davon träume ich immer noch. Dass die Völker es auch so sehen: Kein Friede ohne Verzicht.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

12.12.2019
Michael Becker