Die Bank

Wort zum Tage
Die Bank
Wort zum Tage
26.09.2020 - 06:20
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Es gibt Tage, an denen ich Corona vergesse. An denen ich nicht daran denken muss und sich das Leben wieder ganz unbeschwert anfühlt. Das passiert häufig am Wochenende, wenn ich mir aussuchen kann, wo ich wann bin und mit wem. Wo ich im Freien bin – ohne Maske, ohne Abstand. Und dann gibt es Momente, wo mich wieder alles daran erinnert, wo mich ganz empfindlich trifft, dass so vieles abgesagt, abgesperrt, verboten ist, was sonst so schön und selbstverständlich war. Die gute alte Bank zum Beispiel: In der Ladenzeile, wo sich ein Geschäft neben das andere reiht: Wie war es schön, dort für einen Moment anzuhalten, sich niederzulassen mit den Einkaufstaschen, Luft zu holen – in Ruhe ein Eis zu schlecken – das letzte in diesem Jahr vielleicht… Doch Ruhe geht jetzt nicht. Verschnaufen auch nicht mehr.  Sich hinsetzen: nicht erlaubt. Die Bank ist zugeklebt mit rotem Band, so dass ich gar nicht sitzen kann, selbst wenn ich wollte. Und nicht nur mich trifft das: Kein Platz für Freudinnen, die dort sonst nebeneinander kicherten und quatschten. Kein Platz zum Knutschen für das Liebespaar. Kein Platz für die alte Frau, die schlecht auf den Füßen ist und hier so gerne saß, weil sie hier unter Menschen sein konnte und  nicht mehr einsam – ganz umsonst ohne bezahlen zu müssen. Jetzt gilt das Motto: Zügig weiterlaufen – nur kurz stehenbleiben geht, was aber anstrengend ist, also läuft man weiter. Macht keine Pause. Hält kein Schwätzchen. Lässt sich nicht mehr nieder beim Andern. Geht – im wahrsten Sinne des Wortes – auf Abstand.

Auf dem Bahnhof sah ich vor kurzem ein Schild über einer Bank. Darauf stand: Diese Bank ist nicht gesperrt. Diese Bank ist frei für Dich. Ich fand das schön. Ein Zeichen des Willkommenseins, wo man sich sonst aus dem Weg gehen muss. Die Bank – sie ist so wichtig für unser Leben: Für alle Mühseligen und Beladenen. Für die Verliebten. Für die Alten. Für die Geschäftigen. Für die Geselligen. Für die Einsamen. Die Bank ist frei für alle. Die Bank steht für Pause und Auszeit. Für eine gute Aussicht. Für Ruhe und Erholung. Fürs Innehalten mitten im Alltag. Für mehr Ausblick. Eine Bank kann man stiften, damit andere Freude daran haben: in Zoos oder Grünanlagen. Nicht umsonst stehen Bänke nicht nur in Parks, Einkaufszentren oder Bahnhöfen, sondern auch in unseren Kirchen. Sie sind nicht gesperrt, sondern frei für mich und für Sie. Sie sind da, damit wir anhalten können. Damit wir zuhören und reden. Damit wir nicht alleine sind mit unseren Sorgen und Gedanken. Damit wir uns willkommen fühlen und frei – trotz Corona. Ein Hoch auf die Bank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.