Die Kraft des Segens

Wort zum Tage
Die Kraft des Segens
23.05.2020 - 06:20
15.05.2020
Sabrina Greifenhofer
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„Meinen Segen gebe ich dir dafür nicht!“ – das sagte Ninas Vater, als sie ihm von ihren Zukunftsplänen erzählte. Sie wolle keine Ausbildung machen, sondern studieren. Für ihren Vater war das undenkbar. Eine Ausbildung sei viel handfester. Die steuere direkt auf einen Beruf hin und sei nicht so verkopft. Sie solle etwas Sinnvolles machen. So wie er.

Immer und immer wieder führten Tochter und Vater dieses Streitgespräch. Und auch wenn ihr Vater resigniert sagte: „Du bist volljährig, es ist dein Leben!“ – Nina blieb an dem Thema dran. Sie wünschte sich den Segen ihres Vaters.

Jakob geht es ähnlich. Das Alte Testament erzählt von ihm und seinem Bruder Esau.

Jakob ist auf einen Platz geboren, der sein ganzes Leben bestimmen soll. Er ist auf den zweiten Platz geboren. Sein Bruder Esau kam zuerst auf die Welt. Und damit steht ihm der Segen seines Vaters zu. Aber Jakob findet sich damit nicht ab.

Er verkleidet sich, gibt sich als sein Bruder Esau aus und täuscht seinen fast blinden Vater. Der spricht Jakob den Segen zu, der eigentlich für den Erstgeborenen gedacht war. Selbst als der Schwindel auffliegt, bleibt der väterliche Segen bei Jakob. Jakob hat den Platz verlassen, auf den er geboren wurde. Er hat die Rolle überwunden, die ihm übergestülpt wurde. Jakob hat mit unfairen Mitteln gehandelt, keine Frage. Dass er dazu bereit ist, zeigt, wie sehr er den Segen ersehnt. Seine Geschichte ist dennoch ein Gleichnis dafür, wie Segen funktioniert; und warum Nina nicht ohne den Segen ihres Vaters weitermachen möchte.

Jakob und Nina teilen die gleiche Hoffnung: Sie beide wollen aus sich etwas anderes machen, als ihnen von ihrer Geburt her vorgeschrieben scheint. Als Zweitgeborener, als Frau, als Arbeiterkind. Sie wollen nicht hinnehmen, dass ihr Leben davon bestimmt sein soll. Sie wollen aus den Rollen aussteigen, etwas anderes machen; und anders werden.

Segen spricht genau das zu. Segen gibt einen Vertrauensvorschuss: Er spricht einem Menschen Chancen zu. Er hebt einen Menschen aus den Bahnen und hilft ihm auf unerkundete Pfade.

Darum wünscht sich Nina den Segen ihres Vaters, bevor sie mit dem Studium anfängt. Er soll ihr die Zuversicht geben, dass sie etwas anderes werden kann, als das, was ihr vermeintlich ins Stammbuch geschrieben ist.

Auch wenn sie noch auf den Segen ihres Vaters warten muss, und das vielleicht vergeblich: Sie kann sich des Segens eines anderen gewiss sein. Gott sieht sie in all ihren Möglichkeiten. Segen öffnet und befreit.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

15.05.2020
Sabrina Greifenhofer