Einen neuen Anfang machen

Wort zum Tage
Einen neuen Anfang machen
01.08.2020 - 06:20
09.07.2020
Eberhard Hadem
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Am Anfang war ein Garten, erzählt die Bibel auf ihren ersten Seiten. Sie gibt einen seltsam unbestimmten Ort dafür an: im Osten, in Eden liege der Garten. Im Osten von was? Manche meinen, das Paradies befinde sich dort, wo seine vier Flüsse, der Pischon und der Gihon, der Euphrat und der Tigris fließen. Deshalb wird es in dem fruchtbaren Delta im heutigen Irak vermutet. Aber sicher ist das natürlich nicht.

Die Angabe der Himmelsrichtung hat noch einen anderen Sinn. Das Paradies ist ein geistiger, symbolischer Ort, an dem Schöpfer und Geschöpfen ein Anfang gelingt. Deshalb im Osten, weil sich die Erde der Sonne und damit dem immer neuen Morgen entgegen dreht und unablässig neue Anfänge macht.

Neu anfangen kann ich als Mensch immer nur in einem Bereich, der begrenzt ist. Freiheit und Verantwortung brauchen ihre Zeit und ihren Raum. Nun haben Grenzen auf den ersten Blick wenig Gutes an sich. Sie sollen eher überwunden werden. Aber schon die biblische Schöpfungsgeschichte entwirft Bilder dafür, wie heilsam es sein kann, Grenzen zu ziehen, etwas abzutrennen: Gott trennt Licht von der Dunkelheit, festes Land vom Wasser, den Tag von der Nacht.

Jeder Gärtner, jede Gärtnerin kennt das auch. Es ist ein kluges Wissen nötig, um unterscheiden und trennen zu können. In seinem Buch „Der leidenschaftliche Gärtner“ schreibt der Dichter Rudolf Borchardt: Es muss, wo Rosen blühen, Lehm im Boden sein, und wo sie auch nur leidlich blühen sollen, Kalk. Es muss, wo Rhododendren leben sollen, ein saures Element im Boden sein, und kein Kalk. (Die Andere Bibliothek, hg. v. H.M. Enzensberger, Ernst-Klett-Verlag 1968, Seite 210).

Der Garten Eden ist kein grenzenloses Schlaraffenland, wo – wie im Märchen – gebratene Tauben umherfliegen und man faul unter dem Birnbaum liegend darauf wartet, dass einem die gebackenen Früchte in den Mund fallen. Wir Menschen neigen manchmal dazu, mit solchen und ähnlichen Wünschen den inneren Raum des Paradieses anzufüllen – und wissen dabei in der Regel, dass Glück auf Dauer darin besteht, zu bebauen und zu bewahren, was durch Grenzen umhegt und von Anfang an auf Nachhaltigkeit angelegt ist. Das griechische Wort kósmos ist mehrdeutig, es lässt sich im Deutschen als ‚Ordnung‘, aber auch als ‚Schmuck‘, ‚Glanz‘ oder ‚Ehre‘ wiedergeben. In diesem Sinn spiegelt der umgrenzte Raum des Paradieses den eigentlichen, den wirklichen Kosmos des Menschen wider. In diesem Sinn bin ich tatsächlich für meinen Kosmos verantwortlich. Und auch dafür, ab und an einen neuen Anfang zu machen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

09.07.2020
Eberhard Hadem