Erinnerungsjahr

Wort zum Tage
Erinnerungsjahr
03.02.2018 - 06:20
10.01.2018
Pfarrerin Sandra Zeidler
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2018 wird ein Jahr der Erinnerungen, der Rückblicke, der wichtigen Reden, der Doku-Dramas im Fernsehen und der historischen Wälzer in den Buchläden. 50 Jahre 1968. 100 Jahre Ende des ersten Weltkriegs und 100 Jahre Beginn der Weimarer Republik. 400 Jahre Beginn des Dreißigjährigen Krieges. 50. Todestag von Martin Luther King, 100. Geburtstag von Nelson Mandela; und Karl Marx wäre 200 geworden. Über ihn gibt es schon dicke Biografien, rechtzeitig zum Start des Erinnerungsjahres; und überhaupt ist er in aller Munde, weil seine Beschreibung der Auswüchse des ungebremsten Kapitalismus in unserer globalisierten Welt vielfach Wirklichkeit geworden ist. Und wenn ich an Martin Luther King denke und an Nelson Mandela, dann erinnert mich das daran, dass Rassismus keineswegs überwunden ist, nicht in den USA, wo farbige Menschen schlechtere Jobchancen haben als Weiße und schnell Opfer von Polizeigewalt werden – nicht in Südafrika und auch nicht hier in Deutschland.

 

Erinnerung ist wichtig, weil sie die Sinne schärft für das Hier und Jetzt. Das kann man sich ganz einfach für sich selbst klarmachen: wenn ich mich zum Beispiel daran erinnere, wie mein Vater mich geschlagen hat, dann werde ich wohl meine Kinder nicht schlagen. Oder wenn ich mich erinnere an die Erzählungen meiner Großeltern, wie sie aus Schlesien oder Ostpreußen vertrieben wurden und dankbar waren für eine Suppe und eine gutes Wort, dann werde ich einen anderen Blick und ein anderes Herz haben für die Flüchtlinge aus Syrien und Afrika.

 

Ein einziges Erinnerungsbuch und gar nicht mal so ein dicker Wälzer ist die Bibel. In ihr ist die Erinnerung bewahrt an Kriege, an Vertreibung , an Verrat und und Zweifel, an Versöhnung und Aufbruch. Und auf vielen Seiten erinnert die Bibel an die Liebe, an die ganz irdisch-körperliche Liebe im Hohelied Salomos und an die eher geistliche Liebe unter den Geschwistern der christlichen Gemeinde , die der Briefschreiber Paulus meint. Die Bibel erinnert an den Ursprung, daran, dass wir aus dem Staub kommen, dass uns Menschen der Odem gegeben ist, der göttliche Atem, damit wir unser Leben gestalten. Bei all den menschlichen Erinnerungen, die die Bibel bewahrt, bleibt sie aber nie stecken im Alten und Althergebrachten. Sie erinnert an die Zukunft, sie erzählt von Männern und Frauen, die nach vorne schauen und sich verändern. Weil sie wissen, wo sie herkommen.

 

10.01.2018
Pfarrerin Sandra Zeidler