Fehlerkultur

Wort zum Tage
Fehlerkultur
Wort zum Tage
24.09.2020 - 06:20
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Elternabend in Coronazeiten: Eltern sitzen mit Masken auf zu kleinen Stühlen im Klassenraum. Die Fenster sind geöffnet. Es geht um Hygienepläne. Dann kommt die Lehrerin zum Wissensstand der Kinder. Da gibt es Lücken – klar: Homeschooling für Schulanfänger ist schwierig. Siebenjährige betreten keine digitalen Lernorte, brauchen jemanden an Ihrer Seite, wenn`s ans Buchstabieren oder Rechnen geht. Lücken also. Und jede Menge Fehler - beim Schreiben zum Beispiel. Da will die Lehrerin ran. Mit ihrer ganz eigenen Methode: Sie streicht nicht rot an oder durch, setzt kein fettes f für falsch an den Rand – nur ein zartes rotes Pünktchen unter den betreffenden Buchstaben. Hingetupft - es fällt kaum auf, kommt daher wie Feenstaub. Hinter der Methode steht ein Konzept: „Ich will die Kinder nicht erschrecken, nicht entmutigen,“ erklärt die junge Lehrerin. Die Kleinen sollen nicht aus Frust die Lust am Schreiben verlieren. Sie sollen nicht mutlos werden, weil bei manchem Wort mehr falsch als richtig ist. Ein Pünktchen nur stattdessen. Ein Punkt, der zeigt – Achtung! – hier solltest Du genauer hinschauen. Hier stimmt etwas nicht. Und dann eine Zeile tiefer noch einmal neu anfangen. „Ihre Kinder sollen lernen, dass Fehler nicht schlimm sind. Dass sie dazu gehören!“ sagt sie. Einige sind irritiert von der Methode. Sie haben es anders gelernt. Man müsse doch ankreiden, was alles nicht stimmt. Und dann: Weg mit dem Fehler mit Radiergummi oder Tintenkiller. Mir gefällt das Pünktchen. Echte Fehlerkultur, denke ich: Wo andere gerne ankreiden und den Finger noch genüsslich drauflegen. Gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit verwenden Menschen sehr viel Zeit und Energie darauf, anderen Fehler vorzuhalten. Dass Fehler aber jedem passieren und man hinterher meistens klüger ist, wird dabei gern vergessen. Als ob man selber besser dastünde, wenn ich die Fehler beim anderen ankreide. Als gebe es Sicherheit in unsicheren Zeiten, jedenfalls zu wissen, dass der andere Fehler macht.

Ich wünsche mir die Leichtigkeit des roten Punkts – eine Haltung mir selbst und anderen gegenüber: Fehler dürfen passieren. Sie gehören dazu. Ein Pünktchen drunter – Neuanfang.

Ein mutiger Manager wagt das: Mit einem Podcast, in dem er freimütig von seinen Fehlern erzählt. Damit andere draus lernen können. Jesus hat das praktiziert, indem er niemals genüsslich auf den Sünden seiner Mitmenschen rumritt, sondern nach vorne sah und Menschen ermunterte, es ebenso zu tun: Kehr um, mach´s nochmal, fang von vorne an! Ein roter Punkt, ein Fünkchen Liebe und Wertschätzung. Ein Hauch Feenstaub.

 

Es gilt das gesprochene Wort.