Friedensklang

Wort zum Tage
Friedensklang
24.11.2018 - 06:20
07.09.2018
Dirck Ackermann
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Wenn ich über unseren Hof vor der Matthäuskirche in Berlin-Steglitz gehe, komme ich an drei großen Glocken vorbei. Beindruckende Erscheinungen. Grau und groß bestimmen sie seit ein paar Monaten das Bild unseres Kirchhofs. Vor Jahren konnte ich noch ihren Klang hören. Wenn sie läuteten, machten sie ein Riesengetöse. Und ich hatte den Eindruck, dass nicht nur ich von ihrem Geläut erzitterte, sondern auch die Wände unserer Pfarrwohnung. Ja ich spürte regelrecht, wie die Klöppel gegen die Glockenwände knallten. Glockengeläut als Donnergrollen. So war mein Eindruck.

 

Vier Jahre lang waren die Glocken nun nicht mehr zu hören. Ihr Klang, so sagten die Experten, hatten die Wände des Glockenturms so ins Zittern gebracht, dass der Turm einzustürzen drohte. Steine waren aus dem Turm herausgebrochen. Anfangs hieß es sogar, dass die Turmspitze auf unsere Wohnung zu fallen drohte, falls man nicht sofort das Läuten beendete. Und das tat man dann auch. Vier Jahre ohne Glockengeläut. Aufwändige Sanierungsarbeiten am Turm mit eigens dafür ausgebildeten Turmkletterern usw. usw.. Vier Jahre lang kleine und große Abenteuer und Abenteurer vor unserer Haustür.

 

Glockenläuten als Lebensgefahr. Kein Wunder denke ich, wenn ich heute auf die Glocken schaue. Die Inschrift sagt: Kriegsersatz 1918. Die Glocken sind aus Stahl gegossen am Ende des Ersten Weltkriegs, aus Stahl als Ersatz für die alten bronzenen Glocken. Diese brauchte man vorher für Kriegsgerät. Kirchenglocken als Grundstoff für tödliche Gewalt. Als Ersatz Glocken aus Stahl, jenem Material, aus dem auch die Artilleriegeschosse und anderes Kriegsgerät damals gefertigt wurden und noch heute werden. Glocken mit stählernem Klang. Sie brachten fast den Turm zum Einsturz.

 

Auf der Inschrift lese ich dann noch: Unser Glaube ist der Sieg. So also: Glocken für den Sieg. Was für ein Widerspruch zur christlichen Friedensbotschaft. Gut, dass diese alten Glocken nun schweigen.

 

Seit dem Sommer haben wir nun neue Glocken. Sie sind wieder aus Bronze und auch wieder viel kleiner als die wuchtigen Ungetüme aus Stahl. Und ihr Klang ist so gestimmt, dass er auch zu dem Glockenklang der benachbarten katholischen Kirche passt – ökumenischer Einklang also. Jeden Tag, wenn nun die Glocken läuten, höre ich sanfte und klare Töne voller Harmonie. Und empfinde den Klang als eine Wohltat. Ja, hundert Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, nehme ich dieses Läuten als Zeichen des Friedens wahr. Als Klang des Friedens.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

07.09.2018
Dirck Ackermann