Geistesgegenwärtigkeit

Wort zum Tage
Geistesgegenwärtigkeit
26.03.2021 - 06:20
19.03.2021
Evamaria Bohle
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„Und der Versucher trat zu ihm.“- Willkommen im Bereich des Unsichtbaren, Nichtfassbaren, Surrealen. Der Verstand verschränkt die Arme vor der Brust und möchte nichts damit zu tun haben. Wir befinden uns in der Wüste. Wir befinden uns in einer Geschichte. Matthäusevange-lium. Viertes Kapitel. 
E r ist der Mann aus Nazareth, und der Versucher - andere sagen auch „Teufel“ - heißt eigent-lich Diabolos. Das ist Griechisch. Man kann es mit „Durcheinanderwerfer“ oder „Durcheinan-derbringer“ übersetzten. Kennen wir alle, glaube ich. Wohnt immer mal wieder in Herz und Hirn und stellt Gewissheiten in Frage.  
Showtime also: „Und der Versucher trat zu ihm.“ Jesus steht etwas neben sich. 40 Tage lang hat er auf alles verzichtet, was nicht absolut lebensnotwendig ist. Auf Nahrung, auf Nähe. Er hat gefastet. Der menschliche Körper kann das, er ist ein Überlebenskünstler, stellt den Stoff-wechsel auf Krise um und nährt uns mit dem, was er in sich selbst vorfindet. Der Geist er-wacht, die Sinne schärfen sich. Empfindsamkeit auf allen Kanälen: Achtung! Notlage! - Was tut eigentlich die Seele? Wovon nährt sie sich in der Krise? 
„Und der Versucher trat zu ihm.“ Jesus ist allein in seiner Wüste. In der Menschenleere. In der großen Stille. So etwas kann passieren, wenn man sich auf Gott einlässt. 
Nur mein eigenes Herz höre ich schlagen. Der Atem kommt, der Atem geht. Kind Gottes? Du? Und der Durcheinanderwerfer spricht mich an: „Bist du sicher? Bist du wirklich Gottes Kind? Durch die Taufe? So, so. Woran merkst du das, so allein in deinem Leben? Seit Ewigkeiten aus dem Alltag gefallen. Aus allen Routinen verbannt. Du und dein täglich älter werdender Körper. Dein überreizter Geist. Die durstige Seele. 40 Tage, 40 Wochen, 40 Jahre. Eine Ewigkeit.“
„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“, hörst du dich tapfer zitieren. Aber es wäre na-türlich viel schöner, stark zu sein. Oder über ein paar Engel zu verfügen, denen man sich in die Arme werfen könnte. Rund um die Uhr mit „täglich Brot“, Milch und Honig, mit Selbstsi-cherheit und Zuversicht versorgt. Damit die Angst aufhört, die Wüste nur eine Challenge ist und alles, alles gut wird - vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. 
Und der Versucher trat zu Jesus. Und Jesus lässt ihn an sich heran, lässt sich auf eine Situati-on ein, in der alle Gewissheiten fragwürdig werden müssen und vertraut auf Geistesgegenwär-tigkeit. Allein. Was für ein Vertrauen. Matthäus vier. Präsenz reicht. Dasein im Jetzt, und der Durcheinanderwerfer verstummt. 

Es gilt das gesprochene Wort.

19.03.2021
Evamaria Bohle