Gnade zum Frühstück

Wort zum Tage
Gnade zum Frühstück
19.01.2018 - 06:20
10.01.2018
Pfarrerin Kathrin Oxen
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Gnade ist ein Omelett, in Butter gebraten, zum Frühstück. Das weiß ich von meiner ältesten Tochter. Ich bin inzwischen geübt im Umgang mit Teenagern und weiß, dass „früh aufstehen“ ein relativer Begriff ist. Deswegen bestehen wir an freien Tagen nicht auf einem gemeinsamen Frühstück. Die andere Seite des Deals ist dann aber auch:

Es wird kein Langschläferfrühstück vorgehalten und etwa Kaffee in die Thermoskanne gefüllt oder Eier im Körbchen sorgfältig zugedeckt. Langschläferfrühstück heißt bei uns: sich selbst Kaffee machen und schnell einen Toast in der Küche essen.

 

Außer neulich. Da war es eigentlich schon Mittagszeit und ich deswegen schon wieder in der Küche, als mich meine Tochter auf der Suche nach Frühstück dort traf. Sie mag Eier gern, aber nur als Omelett oder Rührei. Und stand etwas unschlüssig vor dem Kühlschrank. Jetzt noch zur Unzeit eine Einmischung in die mütterlichen Küchengeschäfte – das kann Ärger geben, das weiß sie.

Aber dann war mir plötzlich so und ich habe ihr ein Omelett gemacht. Geht ja auch schnell. So schnell, dass man zwischendurch auch noch Kaffee machen kann. Und dann hätte nur noch ein Glas Sekt gefehlt und es wäre tatsächlich eines von diesen Langschläferfrühstücken gewesen, die manchmal in Hotels angeboten werden. Meine Tochter hat „Danke, das ist wirklich nett von dir“ gesagt. Und ich habe gesagt: „Das ist Gnade, mein Schatz“.

 

Es war mehr als Scherz gemeint. In einem Theologenhaushalt in Wittenberg kommt sowas manchmal vor, wenn man eine Dekade lang beinahe täglich mit den großen Worten „Gnade“, „Rechtfertigung“ und „Freiheit“ bestrichen wird.

Aber dann dachte ich: Doch, stimmt schon. Das ist Gnade. Zur Unzeit in die Küche schlurfen, ohne Anspruch auf irgendwas, schon vorab zufrieden mit einer Minimalversion von Frühstück. Und dann ist da jemand und ist freundlich und macht dir ein Omelett, schön gelb und in Butter gebraten, und heißen Kaffee dazu. Verdient hast du es dir nicht, schon gar nicht durch Wohlverhalten wie frühes Aufstehen oder sonst irgendetwas. Du bekommst es, ohne etwas zu tun. Weil da jemand ist, der es dir gibt. Weil jemand da ist, der dich liebt.

 

Gott bereitet, soweit ich weiß, keine Eierspeisen zu. Aber das große Wort „Gnade“ schmeckt mir gleich viel besser, wenn ich an meine Tochter und mich denke. „Ein glühender Backofen voller Liebe“, so hat sich der viel berühmtere Wittenberger Martin Luther Gott vorgestellt. Und da ist er ganz bei uns, in unserer Küche, wo es nach Kaffee riecht und nach gebratenem Ei.

10.01.2018
Pfarrerin Kathrin Oxen