„Gott ist bei uns“

Wort zum Tage
„Gott ist bei uns“
09.04.2020 - 06:20
30.01.2020
Michael Becker
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Es war in der Morgendämmerung. Gefangene werden zur Hinrichtung gebracht, heute vor 75 Jahren. Einer der Gefangenen ist Dietrich Bonhoeffer, der evangelische Pfarrer. Seit zwei Jahren sitzt er im Gefängnis der Nationalsozialisten. Er wollte den Umsturz, Hitler sollte weg. Aber der Umsturz misslang. Bonhoeffer wurde verhaftet. Als der Krieg längst verloren war, ordnete Hitler noch an, die letzten Gefangenen hinzurichten, nach einem Scheinprozess in Flossenbürg. Auch den frisch verlobten Dietrich Bonhoeffer. Recht und Gesetz spielte damals keine Rolle. Und Bonhoeffer konnte sich nicht wehren.

 

Aber fest glauben konnte er. In Bildern und Worten, die heute noch die Seele nähren und erbauen…: Von guten Mächten wunderbar geborgen / erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen / und ganz gewiss an jedem neuen Tag. So dichtet, nein: so glaubt er es fest. Er sitzt ja nicht am Strand unter Palmen in der Sonne, als er das dichtet; er sitzt in einer Gefängniszelle, klein und düster. Er dichtet auch nicht: Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, er dichtet: Gott ist bei uns. Das kleine Wort ist ein großer Unterschied. Mit uns heißt, dass Gott irgendwo ist. Bei uns heißt, dass er in der Zelle neben dem Gefangenen ist. Oder auf der Krankenstation. Im Haus, in dem gestritten wird. Bei den Schuldigen; bei denen mit den verwirrten Sinnen; bei den Verfolgten. Gott ist da, bei uns. Ohne Bedingung, ohne Einschränkung.

 

Das dürfen wir glauben, nicht nur bei Sonnenschein am Strand oder beim Leuchten der Berge. Nicht nur, wenn uns Liebe und Leben große Freude machen. Auch jetzt dürfen wir das glauben, in der Zeit der Trübnis und der Strenge. Wir erfinden es ja nicht, wir trauen einem Menschen aus Fleisch und Blut: Dietrich Bonhoeffer, meist allein in seiner Zelle. Wenn er das schreibt, hat es Hand und Fuß, buchstäblich. Wenn Paulus schreibt, dass uns alle Dinge zum Besten dienen, dürfen wir das glauben. Wir müssen nicht, aber wir dürfen. Und legen uns in diese Worte hinein wie in ein Nest. An jedem neuen Tag. Was immer er bringt, der Tag - schmerzhaft oder heiter, versöhnt mit der Welt oder am Zerbrechen: Gott ist bei uns. Ohne Bedingung, ohne Einschränkung.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

30.01.2020
Michael Becker