Häuser bauen und bewohnen, pflanzen und genießen

Wort zum Tage
Häuser bauen und bewohnen, pflanzen und genießen
06.11.2019 - 06:20
29.08.2019
Christina-Maria Bammel
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Am Fuß der Golanhöhen lebt sie seit einem halben Jahrhundert mit ihrem Mann im Kibbuz, einer ländlichen Siedlung mit gemeinschaftlicher Wirtschaft. Der Haarschnitt der Siebzigjährigen ist kurz und praktisch. Die Linien ihres Gesichtes sind durch die Zeit, durch viel Sonne und wohl harte Arbeit vertieft. Die Augen strahlen und die Hände erzählen mit, wenn sie berichtet vom Leben im Kibbuz mit 700 Menschen. Wie sie ihr Vermögen miteinander teilen, dass alle denselben monatlichen Anteil erhalten, ganz gleich, wer welche Arbeit tut. Sie sagt es mit Stolz! Dass für den Krankheitsfall jedes einzelnen gesorgt ist, dass man auch im Alter versorgt wird. Und die Mahlzeiten und Feste werden selbstverständlich gemeinsam begangen. Alle entscheiden gemeinsam das Wesentliche in demselben Saal, in dem sie zusammen speisen und feiern. Wer gerade nicht dazu kommen kann, hat die Chance, die Diskussion per livestream mit zu verfolgen. Das mache sie auch manchmal. Hat ja nicht immer Zeit zum Diskutieren. Nein sie möchte nicht tauschen. Hier hat sie ihr Leben eingebracht, sich selbst mit ihrer Kraft, ihren Ideen. So ohne weiteres sei das eben nicht auf die nächste Generation zu übertragen, sagt sie. Aber ihre erwachsenen Kinder würden sicherlich zurückkehren, wenn sie in der Ferne die Vorteile des Kibbuzlebens zu schätzen gelernt hätten. Verantwortung teilen und Verbindlichkeit gleichberechtigt leben, das hat die Existenz gesichert, sagt sie. Ich laufe die von der Sonne gewärmten Plattenwege dieses Kibbuz‘ entlang, sehe die mit High-Tech bewässerten Felder, Bananen, Avocados, Melonen, rieche die nahe Molkerei. Da blitzen Momentaufnahmen eigener Kindertage in einem gänzlich anderen Sozialismus auf. Nicht zu vergleichen das eine mit dem anderen. Was für 700 Menschen funktioniert, kann man nicht einfach auf 17 Millionen übertragen. Und eine Diktatur darf nachträglich nicht verklärt oder gar rein gewaschen werden. An dieser Geschichte klebt missbrauchte Macht. Aber Jene Kibbuz-Art, das Leben zu teilen, die Verantwortung, die Lasten und die Vorteile, die lässt mich alles andere als kalt. Sozialistische Haltung und jüdischer Glaube – das kann, das muss zusammengehen, waren viele der Gründungsväter und -Mütter Israels überzeugt. Und ich denke an den Propheten Jesaja und hoffe, dass er langfristig recht behalten wird mit seinem Versprechen: „Sie werden Häuser bauen und selbst darin wohnen. Sie bauen nicht, damit ein anderer in ihrem Haus wohnt. Sie werden Reben pflanzen und selbst ihre Früchte genießen.“ (Jes 65,21)

 

Es gilt das gesprochene Wort.

29.08.2019
Christina-Maria Bammel