Im Herzensgrund

Wort zum Tage
Im Herzensgrund
17.02.2018 - 06:20
10.01.2018
Evamaria Bohle
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In meines Herzens Grunde, da geht ein Mühlenrad. In Ihrem auch. Sie spüren es, ich spüre es. Es hält uns am Leben. Das ist so selbstverständlich wie das Zähneputzen und zum Sport gehen, die Krankenversicherung, Frieden oder Frauenwahlrecht. Flatrate, Streaming und die Nächte durchschlafen.

 

Im vorigen Jahrtausend gab es mal drei Fernsehprogamme, und der Bus in die nahegelegene Kreisstadt kam selbstverständlich nur zweimal am Tag. Vergewaltigung in der Ehe war kein Straftatbestand, aber Schwulsein und Schwangerschaftsabbruch. Das war kriminell. Als unsere Mutter noch „das Klärchen“ war, und die braven Mädchen einen Knicks lernten, starb Hänschen fürs Vaterland, und der Herr Pastor sprach vom Willen Gottes. Auch in seines Herzens Grund ging übrigens dieses Mühlenrad, und er feierte Kaisers Geburtstag. „Der Feind“ stand im Westen. Oder im Osten. Je nachdem. Urgroßvater war Liberaler. Später, als dann bestimmte Parteien immer Recht hatten, lungerte seine Freiheit mit den anderen Asozialen auf der Straße herum und wurde regelmäßig eingelocht. Eilmeldungen kamen per Extrablatt. Und im Märzen spannten die Bauern ihre Rösslein an, oder andere Pferdestärken. Lange her, all das.

 

In meines Herzens Grunde, da geht ein Mühlenrad. In Ihrem auch. Sie spüren es, ich spüre es. Ganz selbstverständlich. Wie Wochenenden, Salat im Februar und Religionsfreiheit. Es lebt sich im 21. Jahrhundert: Ein Unfalltoter spendet seine Nieren, ein ehemaliger Rennfahrer kauft eine Fluglinie, eine aufgedrehte Blonde fahndet nach Germanys Next Topmodel, jemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen. Auf einem Ultraschall pocht ein neues Herz, noch hat es keinen Namen. Die dazugehörige Mutter freut sich und fürchtet um ihre Pläne. Anderswo klettern derweil anderer Eltern Söhne und Töchter in marode Boote und nennen das: Hoffnung.

 

In meines Herzens Grunde, da geht ein Mühlenrad und in Ihrem auch. Es geht ganz selbstverständlich. Das Leben rauscht über uns hinweg. Und wenn wir nicht gestorben sind, dann leben wir auch heute, gehen einkaufen, telefonieren, lachen und üben uns darin, freundlich zu sein. Und am Grunde meines Herzens – so stelle ich mir vor – verstummen die Kardiologen und all die Neunmalklugen und falten ihre Hände. „Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne“, beten sie. Gott nickt und lässt das Leben weiter rauschen.

10.01.2018
Evamaria Bohle