Kämpfer für den Frieden

Wort zum Tage
Kämpfer für den Frieden
04.12.2019 - 06:20
05.09.2019
Dirck Ackermann
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Ein grauer Septembertag. Die Wolken ziehen über die Stadt am Meer. Eigentlich sollte es heute regnen. Doch noch hält sich das Wetter. Ungemütlich ist es trotzdem. Man spürt die Feuchtigkeit in der Luft. Mich fröstelt.

Vielleicht ist es auch nicht das Wetter, das mich frösteln lässt. Vielleicht ist es mehr die Umgebung. Ich gehe durch Belfast in Nordirland, genauer West-Belfast. Hier war einer der Konfliktherde zwischen Protestanten und Katholiken. Das ist noch heute zu erkennen. Manche Straßenzüge sind voller britischer Flaggen. Dazu noch Flaggen in Orange, Zeichen der protestantischen Seite. Mitten in dem Viertel sehe ich eine Kirche: komplett eingezäunt und mit Stacheldraht umgeben. „Katholisch!“ wird mir zugerufen. „Die muss hier im protestantischen Viertel geschützt werden.“

Dann sehe ich eine erste Mauer mit Stacheldraht an der Krone. Die Mauer ist bemalt. Erinnerungen an Tote, die während der Konflikte starben. Und Kampfparolen: Für die Freiheit, gegen die Unterdrückung. Friedenslinien werden diese Mauern genannt. Friedenslinien – Sie sollen die verfeindeten Gruppen auseinanderhalten. „Sie sind heute noch nötig,“ höre ich von meinen Begleitern. Wir gehen weiter. Die Mauern werden immer höher und wirken bedrohlich. Und dabei sollen sie Frieden bringen. Was für ein Widerspruch, denke ich. Ich dachte, sie wären hier schon weiter nach über 20 Jahren Friedensabkommen.

Dann erzählt mein katholischer Begleiter aus seinem Leben. Wie er sich in der IRA engagierte. Wie er für die Freiheit gekämpft hat. Damals auch mit Waffen. Jahrelang saß er dafür im Gefängnis. Seine Stimme bebt. Ich spüre unbändigen Willen, und auch Aggression.

Dann redet mein anderer Begleiter. Protestant. Auch er hat damals gekämpft. Mit 14 Jahren hielt er schon eine Waffe in der Hand. Schon früh ging er in den Untergrund und kämpfte für seine Sache. Beide erzählen weiter: von Toten, von Verletzungen an Leib und Seele.

Ich mag kaum zuhören, so bedrängend sind die Erzählungen beider.

Nun beginnt es doch zu regnen. Die Abenddämmerung setzt ein. Wie passend, denke ich. Es ist Zeit zurückzukehren.

Wir gehen zurück in den Bus, mit dem wir gekommen sind. Und fahren unsere beiden Gastgeber zum Ausgangspunkt zurück. Zum Abschied sagt der eine: Wir kämpfen weiter. Aber wir kämpfen jetzt mit anderen Waffen. Und der andere: Ja, wir kämpfen jetzt für den Frieden.

Dann steigen beide aus. Gemeinsam sehe ich sie durch die kühle, nasse Dunkelheit schreiten. Ein Lichtblick am Ende des Tages: Kämpfer für den Frieden, dicht nebeneinander.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

05.09.2019
Dirck Ackermann