Keine Heldengeschichte

Wort zum Tage
Keine Heldengeschichte
20.11.2018 - 06:20
07.09.2018
Dirck Ackermann
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Wie dunkel doch dieser Ort ist trotz des herrlichen Sommerwetters. Die Bäume geben dem Ort so viel Schatten, dass sich die Augen erst einmal an das wenige Licht gewöhnen müssen. Hinzu kommt noch der lange unbeleuchtete Durchgang, den wir gerade durchqueren. Unbeleuchtet deshalb, damit man die alten kolorierten Schwarzweißaufnahmen erkennen kann, aufgenommen von vor über hundert Jahren. Neben den Fotos die Erläuterung: Hier fand am 22. April 1915 um 17 Uhr der erste Giftgasangriff der Deutschen auf die alliierten Streitkräfte statt. Dann folgen noch die Erläuterungen, was das damals verwendete Chlorgas alles anrichtete. Zu diesen Texten passt die düstere Atmosphäre.

 

Dabei sollte dieser Ort doch für etwas ganz anders bekannt werden. Langemarck in Belgien. Langemarck mit „ck“ geschrieben, wie das große Vorbild jener Tage: Bismarck, der eiserne Kanzler, der Schmied, der mit Blut und Eisen die deutsche Einheit geschmiedet hatte. Hier, nahe dem kleinen belgischen Ort, der doch so deutsch klingt, sollten in den ersten Kriegsmonaten tausende von jungen deutschen Kriegsfreiwilligen mal wieder einen Durchbruch wagen. Mit dem Deutschlandlied auf den Lippen stürmten die jungen Deutschen vor und ließen zu tausenden ihr Leben. Dieser verlustreiche Angriff wurde schnell zu einem Sieg umgemünzt. Der Mythos von Langemarck war geboren. Er sollte die jungen Deutschen für den Krieg begeistern, für den ritterlichen Kampf, und sollte sie motivieren, ihr Leben zu geben für ..., ja, für was eigentlich?

 

Doch statt Heldenmut war grausame Kriegstechnik gefordert. Wie die Giftgasangriffe, die hier zum ersten Mal gestartet wurden. Wie viele Menschen, an Leib und Seele verletzt, haben wohl wie lange gelitten, ihr Leben lassen müssen?

 

Eine halbe Stunde später sehe ich vor mir, wie jung manche damals waren. Ich stehe vor einem Grab. Dieser Soldat starb am 14. Januar 1916. Dann folgt das Alter: 15 Jahre. Ein 15-jähriger zieht in den Krieg und lässt sein Leben. Und vor dem Grab sehe ich Stofftiere. Offensichtlich waren hier schon viele Jugendliche; und waren betroffen wie ich.

 

An diesem Grab spüre ich, welche Schrecklichkeiten damals passiert sind. Falsche Heldengeschichten wie beim Mythos von Langemarck kann ich dann nicht mehr hören.

 

Stattdessen lese ich die letzten Worte auf dem Grabstein: „Nicht aus dem Gedächtnis verschwunden, noch aus der Liebe“. Ja. Erinnern an die Kriegstoten als Aufruf für den Frieden. Solche Geschichten will ich weitererzählen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

07.09.2018
Dirck Ackermann