Kirchenasyl als Multiplayer-Game

Wort zum Tage
Kirchenasyl als Multiplayer-Game
19.12.2019 - 06:20
12.12.2019
Lukas Pellio
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Der Held muss die Prinzessin retten. „Prince of Persia“ war ein Computerspiel der 90er. Ein Jump and Run ähnlich wie Super Mario. Die verschiedenen Level müssen durchgespielt werden und dann wartet nur noch der Endgegner.

 

Der Retter darf sich feiern lassen, die Prinzessin bleibt namenlos und bedankt sich.

 

So ähnlich war es mit dem Kirchenasyl in meiner jugendlichen, männlich geprägten Phantasie: die heldenhafte Rettung von Menschen, die sich selbst nicht helfen konnten. Die weiße, deutsche Gemeinde kämpft stellvertretend; und die Personen, um die es geht, bleiben im Schatten.

 

Die Computerspiele wechselten und ich begeisterte mich für Baldurs Gate. Ein Rollenspiel, bei dem jede Menge Monster zu besiegen, Fallen zu erspüren und Rätsel zu lösen sind. Das Besondere dabei: Man konnte es im Multiplayer-Modus spielen.

Das heißt, es brauchte das Zusammenspiel verschiedenster Charaktere, um gegen die Gewalten der Welt zu bestehen. Die Kämpferin blieb ohne die Zauberkraft des Magiers eindimensional und ausrechenbar. Der Paladin war zwar stets edel und gut, aber die Falle im Dungeon konnte nur die durchtriebene Schurkin erspüren. Für jeden gewonnenen Kampf gab es Erfahrungspunkte, mit denen sich die Charaktere weiterentwickelten, dazulernten.

 

Später begleitete ich Kirchengemeinden und Geflüchtete und lernte Kirchenasyl als Multiplayer-Game kennen. Es braucht auch da die klare Sicht des Magiers, die Wut der Kämpferin, die Standfestigkeit des Paladins und die Schläue der Schurkin. Und alle Beteiligten müssen noch viel lernen.

 

Ich wünschte es wäre immer so. Alle bringen ihrs ein. Ob Alteingesessene oder Newcomer.

Mein Wunsch reibt sich am Alltag. Unser Alltag mit dem Kirchenasyl ist durchzogen von so vielen Machtverhältnissen und Ungleichheiten. Die einen ohne Pass, die anderen mit. Weiße und negativ von Rassismus Betroffene. Männer, die auf Hilfe angewiesen sind, Frauen die helfen.

 

Die Frage, ob und wie wir zusammen leben wollen, stellt sich nicht erst, wenn das Bleiberecht erkämpft ist, sondern bereits innerhalb dieses Kampfes.

Kirchenasyl ist der Versuch, die Gewalten, die uns trennen, zu überwinden. Der Versuch kann am Ende gelingen oder scheitern. Sicher ist aber, dass es nur im Multiplayer-Modus überhaupt eine Chance fürs Gelingen gibt.

 

Hier kommt auch das Bild von den Computerspielen an seine Grenzen. Während ich die Spiele, egal ob Prince of Persia oder Baldurs Gate, am liebsten immer weiter gespielt hätte, warte ich beim Kirchenasyl jedes Mal angespannt auf ein baldiges Ende. Und hoffe auf eine Welt, in der Kirchenasyl überflüssig wird.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

12.12.2019
Lukas Pellio