Knoten ent-wickeln

Wort zum Tage
Knoten ent-wickeln
14.10.2017 - 06:20
06.10.2017
Pfarrerin Christina-Maria Bammel

Manchmal ist es mit meiner Geduld wirklich nicht allzu weit her. Dann reicht ein festgezurrter Knoten an den Schnürsenkeln, um so richtig ins Schimpfen zu kommen. Das ist der Moment, in dem ich mir das Geschick und die Gabe des jungen Mannes Daniel wünsche, der, so heißt es, ganz besonders fähig gewesen sein soll, Knoten zu lösen. Daniel konnte noch mehr, so erzählt das nach ihm benannte Buch der Bibel. Er konnte auch Rätsel lösen und Träume deuten.

 

Das Rätsel- und Knoten-Lösen möchte ich auch können. Nicht nur angesichts der Knoten im Schnürsenkel. Knoten im Geschenkband, wenn es mal schnell gehen soll mit dem Einpacken, stellen mich auf die Probe. Ebenso die langen Haare meiner Tochter, in denen sich schon kleine Knötchen bilden und jede noch so gutwillige Haarbürste ihren Dienst versagt.

 

Aber eigentlich ist das alles nichts verglichen mit einem Knoten im Kopf. Diesen Knoten im Kopf spüre ich manchmal besonders peinvoll, wenn mir angesichts eines Problems immer nur wieder dieselben zwei Lösungen einfallen, die keine sind. Dann fühlt sich das Problem an wie ein mehrfach verknäultes Etwas ohne Anfang und ohne Ende. Meist ist es hilfreich, etwas Luft in den Knoten hinein zu bekommen, die einzelnen Wollfadenteile also zu lockern und dadurch den Knoten etwas zu auseinander zu kriegen. So hat es meine Großmutter oft geraten – mit Engelsgeduld in der Stimme und in der Hand.

 

Was für Wollknoten gilt, kann nicht verkehrt sein für Knoten im Kopf: Möglichst Luft ranlassen und einfach mal lockern. Ist wohl auch hilfreich im Blick auf Knoten im Bauch – wenn es sich also anfühlt wie ein dauerhaft unentwirrbares Knäuel aus Sorge, Angst und Mutlosigkeit. Der biblische Daniel konnte regelrecht ent-wickeln, was verwickelt und verworren war. Heute sollen Gedanken, Ideen und Organisationen entwickelt werden, das ist oft zu hören, manchmal bis zum Überdruss.

 

Doch nicht alle Knoten müssen ent-wickelt werden, denke ich, wenn ich auf den roten dicken Wollfaden am Arm meiner Tochter sehe. Es ist ein Freundschaftsband. Jedem Waschgang hält es stand – schon seit Wochen. An den dünnen Stellen wird ein Knötchen eingebaut, damit das Band weiter hält. Wie die Freundschaft.

 

Diese Knoten am Freundschaftsband, zeigen mir etwas Wichtiges. Sie erinnern mich ohne Worte daran, dass es vielleicht gar nicht so schwer ist, einen Ratgeber oder einen Helfer, am besten einen Freund zu bitten beim Lösen der Knoten, die Bauch- oder Kopfweh machen. Dann mögen die anderen, die Freundschaftsknoten, umso fester werden.

 

06.10.2017
Pfarrerin Christina-Maria Bammel