Robinson Crusoe

Wort zum Tage
Robinson Crusoe
25.04.2019 - 06:20
28.02.2019
Autorin des Textes: Kathrin Oxen
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„1953“ stand in dem Buch. Ich fand das ganz schön alt. Mir, dem immer lesehungrigen Kind, hatte es jemand mitgebracht, der selbst auch ganz schön alt war. Die ersten Kapitel waren ein bisschen langweilig. Aber als das Schiff unterging, nahm die Sache Fahrt auf. Und wie gut, dass das Schiff nicht ganz untergegangen war! Praktischerweise konnte der Held alle Dinge, die man zum Überleben auf einer einsamen Insel brauchen kann, noch von Bord des gestrandeten Schiffs holen. Ich war dabei, wie er sich nach und nach häuslich einrichtete, die Insel erkundete und für seinen Lebensunterhalt sorgte, ein Haus baute, einen Acker anlegte, Ziegen züchtete. Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, wenn ich auf einer einsamen Insel ganz auf mich alleine gestellt wäre. Einerseits schrecklich, andererseits auch faszinierend.

Das Buch war noch viel älter, als ich damals gedacht habe. Heute vor 300 Jahren erschien „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe. Der erste Roman der englischen Literatur und einer der größten Bestseller der Geschichte. Obwohl – so richtig viel passieren tut in dem Buch eigentlich nicht. Robinson muss sein Alltag meistern: „Die nächsten fünf Jahre passierte nichts Außergewöhnliches“ schreibt er an einer Stelle. Und als er endlich doch noch Gesellschaft bekommt, ist klar: Mit Freitag zusammen wird es eher komplizierter.

Zur selben Zeit wie den Robinson habe ich damals auch die Kinderbibel gelesen. Ich hatte also den direkten Vergleich. Und ich fand: Dem ersten Menschen im Paradies, Adam, muss im Vergleich zu Robinson sehr langweilig gewesen sein. Er hatte ja nichts zu tun. Jedenfalls war davon nichts zu lesen. Erst als die Frau da war, passierte etwas und es wurde kompliziert. Erst nach dem Paradies fing die Arbeit an, auf dem Acker und in der Familie. Und das sollte dann gleich eine Strafe gewesen sein.

Ich bin jetzt erwachsen, aus meiner damaligen Sicht sogar schon alt. Und ich greife heute – ausnahmsweise und ganz gegen meine Gewohnheit – an manchen Tagen lieber zu Robinson Crusoe als zur Bibel. Denn dieses Buch malt mir einen wahren Helden des Alltags vor Augen. Robinson Crusoe richtet sich ein, auch nach dramatischen Untergängen. Er tut, was eben getan werden muss. Nichts davon ist spektakulär. Er kommt zurecht und ist mit sich selbst gut befreundet. Und wenn fünf Jahre nichts passiert, auch nicht schlimm. Denn der Alltag ist keine Strafe. Der Alltag ist das Leben.

28.02.2019
Autorin des Textes: Kathrin Oxen