Schwarz

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Adrien Olichon

Schwarz
von Pfarrer Hannes Langbein
16.06.2023 - 06:20
10.05.2023
Pfarrer Hannes Langbein
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 „Black Friday“. Seit dem großen Börsencrash im Oktober 1929 in New York ist der Freitag im Volksmund oft schwarz: Panik an den Märkten, Hamsterkäufe in den Läden. Seit einigen Jahren dreht der Einzelhandel am „Black Friday“ den Spies um und lockt mit Schnäppchen zu Hamsterkäufen. Schwarze Zahlen für den Handel. Schwarze Tage für die, die sich im Einkaufstaumel verschulden…

Auch im Christentum ist der Freitag schwarz: Karfreitag. Der Tag, an dem sich zur Todesstunde Jesu die Sonne verdunkelt. Gottesfinsternis. In der Washingtoner Hirschhorn Gallery hing vor einigen Jahren das Bild des schwarzverschatteten Angesichts des Gekreuzigten direkt neben einem schwarzen Objekt des Künstlers Anish Kapoor: Anish Kapoors Schwarz ist so schwarz, dass sich die Augen daran nicht festmachen können, sich förmlich im Dunkel verlieren: Habe ich ein schwarzes Objekt oder ein schwarzes Loch vor Augen? – Man möchte mit den Händen danach greifen und tasten…

Im Sprengel Museum in Hannover lädt eine Lichtinstallation des amerikanischen Künstlers James Turrell in einen stockdunklen Raum. Die Besucherinnen und Besucher, die ihre Hand vor Augen nicht sehen, sind eingeladen, sich ins Dunkel zu setzen und so lange wie irgend möglich in die Dunkelheit zu starren. Irgendwann gewöhnen sich die Augen auch an das schwärzeste Dunkel, so dass sich langsam, sehr langsam Formen und sogar Farben im Nichts abzeichnen…

Dem Erzvater Israels, Jakob, muss es ähnlich gegangen sein, als er sich mitten in der Nacht aufmacht und an der Furt des Flusses Jabbok auf einen Anderen trifft: Jakob kann den Anderen nicht sehen. Er weiß nicht mit wem er es zu tun hat. In der Dunkelheit ringt Jakob mit ihm und wird dabei selbst ein anderer: „Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel, denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.“ Etwas Bedeutsames entsteht im Dunkel. So wie aus dem Dunkel der Todesnacht an Karfreitag ein Licht scheinen wird.

Der Dichter Rainer Maria Rilke schreibt:

Du Dunkelheit, aus der ich stamme,
ich liebe dich mehr als die Flamme,
welche die Welt begrenzt,
indem sie glänzt
für irgend einen Kreis,
aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß.

Aber die Dunkelheit hält alles an sich:
Gestalten und Flammen, Tiere und mich,
wie sie's errafft,
Menschen und Mächte -
Und es kann sein: eine große Kraft
rührt sich in meiner Nachbarschaft.
Ich glaube an Nächte.

Es gilt das gesprochene Wort.

10.05.2023
Pfarrer Hannes Langbein