Wer sein Kind liebt

Wort zum Tage
Wer sein Kind liebt
12.08.2020 - 06:20
06.08.2020
Diederich Lüken
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Im biblischen Buch der Sprüche gibt es eine Aussage, die verstörend wirkt. Sie bedarf dringend der Kommentierung und der Abgrenzung. Sie lautet: „Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn beizeiten“ (Sprüche 3,24). In ihrer Kurzfassung hat sie beinahe sprichwörtlichen Charakter: „Wer sein Kind liebt, der züchtigt es.“ Das Unheil, das mit diesem Satz angerichtet wurde und teilweise noch wird, ist unermesslich. Er galt als Rechtfertigung der Prügelstrafe, ja, geradezu als Aufforderung, sie anzuwenden. Durch Jahrhunderte und Jahrtausende hin haben Kinder unsäglich darunter gelitten. Sie wurden oft aus kleinstem Anlass hemmungslos verprügelt. Es gab kein Entkommen. Wollte sich das Kind abgrenzen von seinen Eltern, wie es jedes Kind in seiner Entwicklung tut, ja, tun muss, wurde es empfindlich abgestraft. Nicht nur der Körper wurde dabei verletzt, sondern auch die menschliche Würde, die jedem Kind zukommt. Man kann sich kaum vorstellen, wieviel namenlose Angst sich in den Kindern ansammelte und wieviel Wut. Das elterliche Haus, das Geborgenheit vermitteln soll, wurde zu einem Ort der Qual. Das Kind sollte werden wie ein Erwachsener. Es galt, den Willen des Kindes zu brechen, damit es den Anforderungen des Erwachsenseins entsprechen konnte. Dieser gebrochene Wille brachte gebrochene Menschen hervor. Die waren und sind dann anfällig für vielfache Strukturen, in denen Autoritäre das Sagen haben und sich nicht hinterfragen lassen. Damit bekommt dieser Satz, „Wer sein Kind liebt, der züchtigt es“, eine immense politische Bedeutung. Solcherart rückgratlos geprügelte Menschen werden für politische Machtmissbraucher eine leicht lenkbare Masse, mit der man Krieg führen und Unterdrückung praktizieren kann. Man muss sich wundern, dass aus dieser Gemengelage überhaupt freie und selbstbestimmte Menschen hervorgehen konnten. Es wäre besser gewesen und ist es noch heute, dass nicht Kinder wie Erwachsene werden, sondern Erwachsene wie Kinder. Das hat Jesus uns ins Stammbuch geschrieben (Matthäus 18,3). Er gab damit den Kindern ihre Würde zurück. Und er gab ihnen eine größere Würde: Sie galten und gelten nun als die ersten Anwärter auf das Reich Gottes. Dass Kinder Grenzen brauchen, um sich gut entwickeln zu können, bleibt dabei unbestritten. Aber es gilt das starke Wort Friedrich Fröbels, des Erfinders des Kindergartens: „Erziehung ist Beispiel und Liebe, sonst nichts.

 

Es gilt das gesprochene Wort!

06.08.2020
Diederich Lüken