Zwischen den Zeilen

Wort zum Tage
Zwischen den Zeilen
14.02.2019 - 06:20
03.01.2019
Evamaria Bohle
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Zwischen den Zeilen zu Hause sein. Die Augen schließen. Der eigenen Blindheit vertrauen und dem Licht folgen. Zwischen den Zeilen Glut spüren, sich hinkauern, die Hände wärmen über den Flammen, die rund um die Worte lodern: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Fast vergessene Offenbarung einer ganz großen Leidenschaft für die Freiheit der Menschen. Vor allem für die, die für den Wohlstand der anderen ihre Buckel krumm machen.

Zwischen den Zeilen leuchtet es. Da könnte man eine gemütliche Suppenküche eröffnen, in der jeder seine Kelle Heimat bekommt. Umsonst. Und ein Stück Brot, ein Glas Bier, ein gutes Wort. Wie das flackert im Herzen, Gottes Feuerchen, auf dem etwas kocht, das nach Licht schmeckt. Wie es blubbert unter der zähen Hoffnungslosigkeit.

Zwischen die Zeilen blinzeln. In das Licht, das Gott gesprochen hat. Vor dem ersten Tag, vor allen Tagen, vor Urknall und Rechthaberei: „Es werde Licht, sagte Gott. Und es ward Licht.“ Diese alten gewitzten Bibeldichter, die jedes Wort wogen. Sie ließen Gott „Licht“ sprechen, ganz ohne Sonne, Mond und Sterne. Die Herrlichkeit Gottes ist Licht. Fünf Buchstaben, die sich nicht messen lassen in Lumen oder Lux. Gott spricht ins Tohuwabohu, in Irrsal und Wirrsal, und taucht Wüste und Leere in ein anderes Licht. Es leuchtet über der Urflut unserer Herzen, auf der Gottes Geist landen will – wie ein Wasservogel, mit bremsend flatternden Schwingen.

Zwischen den Zeilen sind keine Worte. Wer einwendet „Es gebe keinen Gott und kein Leuchten“, dem widerspreche ich zwischen den Zeilen. Gott ist ja nur ein Wort, durch das hindurchfunkelt, was sich nicht messen lässt.

Ich bin zwischen den Zeilen zu Hause. Großvater hatte noch einen festen Glauben. Ich habe eher ein Staunen und Stammeln von Gott. Ein Singen. Neben mir spüre ich andere, die so unterwegs sind wie ich, die es auch nicht besser wissen. Wir glauben, hoffen, lieben – mehr oder weniger. Ein schwer zu ortendes, stets wanderndes Gottesvolk, in und außerhalb der Kirchen. Atmen, lieben, singen, scheitern, schöner scheitern. Irgendwann werden wir alle sterben. Soviel steht fest. Und auferstehen.

Im 4. Jahrhundert nach Christus schreibt Augustinus sein „Homo desiderium dei“. Den lateinischen Satz kann man zweifach übersetzen: „Der Mensch ist die Sehnsucht Gottes.“ Oder: „Der Mensch ist Sehnsucht nach Gott.“ Wie es funkelt zwischen den Zeilen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

03.01.2019
Evamaria Bohle