Göttliche Großzügigkeit

Göttliche Großzügigkeit
mit Pfarrerin Stefanie Schardien aus Fürth
11.03.2023 - 23:35
21.11.2022
Stefanie Schardien

Die Nummer auf dem Telefondisplay kannte ich nicht. Hm, ziemlich spät. Trotzdem. Der Mann am anderen Ende fängt so ein bisschen umständlich an: Das wär vielleicht ein etwas ungewöhnlicher Anruf. Es wäre nämlich so… sein Vater ist gestorben. Da ahne ich schon, worum es geht. Also: Ob ich wohl seinen Vater beerdigen könnte. Das Problem: Der ist halt schon vor Jahren ausgetreten aus der Kirche. „War schon immer sehr sparsam, wissen Sie… Aber er hatte auf jeden Fall seinen eigenen Glauben.“


Nein, kein ungewöhnlicher Anruf. Ich bekomme diese Anfragen gerade sogar ziemlich oft. Tendenz steigend. Eigentlich gilt: Biste nicht im Verein – biste nicht im Verein! Kein Kirchenmitglied, keine schöne Beerdigung. Punkt. Aber: Ist es so einfach? Eine Tochter hat mir beim ähnlichen Anruf erzählt: Es war für die Mutter eben echt finanziell supereng. Einem anderen Verstorbenen war zu Lebzeiten der alte Pfarrer mal blöd gekommen. Muss ich da konsequent bleiben?


Ich frage die Angehörigen natürlich immer, was die Verstorbenen selbst eigentlich sagen würden, dass ich als Pfarrerin plötzlich am Grab stehe. Ein Sohn meinte: Wissen Sie, meiner Mutter wäre das vermutlich echt egal. Aber mir, mir ist das irgendwie wichtig. Das ist für mich sonst keine richtige Beerdigung. Mit allen, die da kommen. Wir brauchen doch einen würdigen Abschied. Sollte ich da Nein sagen? Nur was soll ich tun? Da treten die Menschen zu tausenden aus. Aber dann sollen wir wieder als Pfarrerinnen zur Verfügung stehen. Von irgendwoher muss doch die Arbeit der Kirche finanziert werden? Meinen Kolleginnen und Kollegen geht’s da ganz ähnlich. Und alle stehen wir vor der Frage: Was tun? Zum Beispiel bei der Hochzeit von Christian Lindner und seiner Frau. Das Thema hat letzten Sommer viele richtig empört. „Moment, wir zahlen hier brav Kirchensteuer. Und die sparen sich die Kohle und bekommen die Trauung einfach so?“ Ja, das fühlt sich ungerecht an. Auch wenn man sich mit dem Mitgliedsbeitrag in einer Kirche natürlich nicht einfach seine eigene Trauung „erkauft“.


Ich frag mich: Warum möchten Menschen bei solchen Ereignissen eigentlich Gottes Segen? Es geht um das Ritual, das ganz schön wäre. Es geht aber auch um den Wunsch nach Segen. Bei Taufen besonders: „Also, meine Frau und ich, wir haben es ja jetzt nicht so mit Kirche und Glauben. Aber würden Sie unsere kleine Tochter taufen? Das wär uns irgendwie wichtig, dass sie behütet ist.“ Mich wundert – und freut das.


Bislang hab ich zu den Anfragen gesagt: ….Ja, mach ich. Weil ich merke: Für die Menschen ist es eben doch was Besonderes mit dem Segen Gottes, mit dem Versprechen, dass sie nicht allein sind in diesem Leben, in ihrem Lieben und Sterben. Viele haben so ein Gespür: Vielleicht gibt es doch mehr zwischen Himmel und Erde. Und: Schaden kann‘s ja nicht. Ich glaube, dass Gott gegenüber solchen Bitten selbst barmherzig und freundlich wäre. So eine nicht-irdische Großzügigkeit. Einfach herschenken. Und wer weiß, ob ich damit dem Heiligen Geist ein paar Chancen gebe: an Taufsteinen, bei Traugesprächen und an den Gräbern.


Darum nun auch für Sie: Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Nacht!

21.11.2022
Stefanie Schardien