Mal wieder Gott fragen. Eine mutige Irritation

Mal wieder Gott fragen. Eine mutige Irritation
von Pastoralreferentin Lissy Eichert
31.10.2020 - 23:50
25.09.2020
Lissy Eichert

Das Wort zum Sonntag: 31.10.2020

Sprecherin: Lizzy Eichert, Berlin

Mal wieder Gott fragen. Eine mutige Irritation

Guten Abend.

Eigentlich wollte ich nur mal einen Moment Ruhe haben. Nichts hören von Corona, nicht grübeln, ob ich meine Familie besuchen kann oder wie wir Weihnachten feiern. Die Nachbarkirche war offen, ich ging hinein - und dann das: Steht da doch tatsächlich „Corona“ unter einer Heiligenfigur.

Corona sapientiae timor domini. Die Krone der Weisheit ist die Gottesfurcht.

Ich bin irritiert. Gottesfurcht – so ein antiquiertes Wort. Sagt heute keiner mehr. Und ich mag es auch nicht besonders. Ich soll doch keine Angst haben vor Gott. Und ich habe auch keine. 

In der Heiligen Schrift ist viel von Gottesfurcht oder von Ehrfurcht vor Gott die Rede. Und das hat nichts mit Angst oder Unfreiheit zu tun, sondern mit Respekt. Mit Respekt vor einer unendlichen Liebe: „Gott ist die Liebe“, bezeugt die Bibel. Diese Liebe vertreibt die Furcht.  

Leider wurde - und wird – der Name Gottes auf Erden missbraucht – von Politikern, manchen Kirchenleuten oder religiösen Gruppierungen. Biblisch ist das nicht. Aber praktisch für alle, die ihre Macht ausspielen, um andere kleinzuhalten. Wer mit Gott Ängste schürt, betreibt geistlichen Missbrauch.

Freier von Angst werden. Mir hilft da das Urvertrauen in das Leben. Die Freundschaft mit Gott. Wer sich auf das Leben einlassen kann, wer zu Gott „Du“ sagen kann wie zu einem Freund, einer Freundin, „entängstigt“ sich. Im Du-Sagen schwingen die Gedanken und Gefühle weg von meinem Ich hin zum größeren Du Gottes. Weg vom ängstlichen Kreisen um mich und meine Sorgen. Deshalb beginne ich ein Gebet oft mit der Frage: „Was denkst Du, Gott?“

Was wünscht sich Gott eigentlich von uns? Ob bei Corona oder Zukunftsängsten – nach Gott wird kaum gefragt. Wir streiten und diskutieren - und bleiben doch mit uns allein. Es gibt einen praktischen Atheismus, eine Betriebsamkeit ganz ohne Gott. Leider auch im Kirchenbusiness. Oft fehlt es an der Suche nach einer tieferen Lebensweisheit. Oder daran, nach der Weisheit Gottes Ausschau zu halten.

Um zu entdecken, was Gott wichtig ist und wer ich bin, gehe ich gerne in eine Kirche oder in die Natur. Suche den Abstand vom Alltag. Ich staune über die Geheimnisse des Lebens. Und auch wenn ich so vieles nicht verstehe - ob Corona oder all das Leid der Welt -, ich lerne die unverfügbare Größe Gottes zu respektieren. Wenn das mal keine mutige Irritation ist, so selbstbestimmt, wie ich doch gerne sein möchte.

Auf das Du Gottes zu hören - und nicht gleich zu widersprechen - unterbricht mein Gedankenkarussell. Lässt neue Ideen aufblitzen. Wendet Angst in Mut. Und schenkt - Weisheit. Die Krone der Weisheit ist die Gottesfurcht.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag, werden oder bleiben Sie gesund!

 

25.09.2020
Lissy Eichert