Es reicht!

Es reicht!
Pfarrer Dr. Wolfgang Beck
23.02.2019 - 23:35
02.01.2019
Dr. Wolfgang Beck

Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Und damit kann ich andere, die mit mir zu tun haben, manchmal nerven. Aber das ist noch nicht alles. Denn ich finde Ungeduld manchmal richtig gut, ja sogar notwendig. Es braucht manchmal Ungeduld, sie kann zwingend geboten sein. Ja, es gibt sogar eine „heilige Ungeduld“, die sich mit dem, was ist, nicht länger abfinden will. Sie findet sich im Neuen Testament: Die freudige Botschaft, dass Jesus lebt, muss sich schnell verbreiten. Eile und Ungeduld sind im Sinne Gottes, davon bin ich überzeugt. Immerhin: Es soll sich ja was bewegen und für die Menschen zum Guten verändern!

Wenn ich in diesen Tagen nach Rom schaue – und ich tue das als katholischer Pfarrer auch mit Leidenschaft für meine Kirche. Da bin ich sehr ungeduldig! Meine Ungeduld wächst, je mehr ich den Eindruck gewinne, dass es da Kirchenvertreter gibt, die die radikale Aufarbeitung der Missstände irgendwie aussitzen wollen. Längst ist klar, dass es in der katholischen Kirche – wenn auch nicht nur dort – Missstände auf verschiedenen Ebenen gibt: von Machtmissbrauch bis zu sexualisierter Gewalt. Es sind nicht nur die Taten von Klerikern, die sich unmittelbar an Kindern und Ordensfrauen schuldig gemacht haben. Es sind auch die Taten von den Verantwortlichen in der Leitung der Kirche, in den Diözesen und Ordensgemeinschaften, – derjenigen, die vertuscht haben. Es sind aber auch die Taten derer, die den Opfern nicht glauben und dadurch die Opfer erneut zu Opfern machen. Es sind diejenigen, die den Kopf in den Sand stecken und einfach abwarten wollen, die sich gegen klare Veränderungen wenden und ein System von Abhängigkeiten, von intransparenten Sonderwelten, von klerikalem Machtstatus betreiben. Wer diesen schäbigen Sumpf nicht austrocknet oder es auch nur halbherzig tut, wird – um es klar zu sagen – selbst zum Vertuschungstäter! Wer dieses System weiter unterstützt, verstärkt damit den Eindruck von einer Kirche als Täterorganisation – auch wenn es aus der vordergründigen Sorge geschieht, die Kirche zu schützen. Und die Neigung dazu ist erstaunlich fest etabliert.

Die deutschen Bischöfe haben eine Studie erstellen lassen und damit vor einem Jahr offenbar die Hoffnung verbunden, für ihre Offenheit und Kooperationsbereitschaft Lob zu ernten. Aber eine Studie, deren Ergebnisse nicht ernst genommen und aus der keine oder nur sehr bescheidene Konsequenzen gezogen werden, ist meiner Meinung nach nicht viel wert. So eine Studie dient dann eher der eigenen Rechtfertigung: „Seht her, wir haben ja auf den Skandal reagiert!“ Und ein Treffen von Bischöfen, bei dem sogar der Papst vorhergesagt hat, dass nicht viel zu erwarten sei, schürt meine Ungeduld. Die konkreten Schritte, die Maßnahmen, die zur Entscheidung anstehen, liegen doch auf dem Tisch: Es geht um die Beschränkung bischöflicher Macht. Es geht um die Einrichtung von unabhängigen Kontrollen im kirchlichen Verwaltungsrecht. Es geht um neue Ansätze bei der Ausbildung von Priestern, die nicht in einer Sonderwelt leben sollten. Es geht um die Bereitschaft, Opfer wirklich durch finanzielle Hilfen zu unterstützen und ihnen zu sagen: „Ja, wir glauben euch und nehmen euch ernst!“ Und es braucht ambitionierte Verantwortliche in der Politik, die auch aus Verbundenheit mit der Kirche endlich Modelle für ihre externe Kontrolle entwickeln und diskutieren.

Ja, ich bin ungeduldig!

Und wenn ein verantwortlicher Wissenschaftler der genannten Studie vor wenigen Tagen öffentlich sagt, dass die Probleme des Missbrauchs nicht bloß der Vergangenheit angehören, sondern immer noch aktuell Menschen zu Opfern von Übergriffen und Gewalt werden, dann bewahre uns Gott vor zu viel Geduld. Sie wäre ein Hohn! Am morgigen Sonntag werden die Bischöfe in Rom nach Ergebnissen und konkreten Schritten gefragt. Ich hoffe, sie bitten nicht um Geduld. Einen guten Sonntag!

02.01.2019
Dr. Wolfgang Beck