Klopfzeichen Gottes

Klopfzeichen Gottes
Pastoralreferentin Lissy Eichert
21.12.2019 - 23:50

"Wer klopfet an?": So klingt es in ganz vielen Krippenspielen. "Wer klopfet an?" –  "O zwei gar arme Leut." – "Was suchet ihr?" – "Wir suchen Herberg heut." Das Lied ist ein Klassiker. Die erfolglose Herbergssuche einer hochschwangeren Frau und ihres verzweifelten Mannes geht ans Herz. Am Ende bleibt nur der Stall. Kurze Zeit später werden Maria und Josef mit dem Neugeborenen fliehen müssen. Weil ein machtgieriger König ihr Kind töten will.

 

War also alles gar nicht so romantisch: arme Leute, Notunterkunft, Flucht. Wir hängen da ja lieber an unseren Vorstellungen von Betlehems Stall. Etwas heile Welt bitte. Damit uns warm wird ums Herz bei Kerzenschein und "Stille Nacht“. Und wer will schon an Weihnachten konfrontiert werden mit all dem Unheil in der Welt.

 

Unser Weihnachten ist großes Kino: ein Fest der Gefühle und der Verzauberungen, der "magic moments“. Gott kommt als Kind zur Welt – ein Baby. Über das Wunder neuen Lebens staunen nicht nur frische Eltern. Gott wird Mensch, um unseren Alltag mit uns zu teilen und mit Liebe  göttlich zu durchtränken. Deshalb freue ich mich auf den Heiligen Abend, auf Krippenspiel und Christmette, auf das himmlische Licht im Stall.

 

Nun blieb auch Jesus nicht der herzige "Knabe im lockigen Haar“. Wir kennen seine Biografie. Den Zusammenhang von Krippe und Kreuz. Göttliches durchströmt alles: das Gelingen und das Scheitern, Freude und Leid. Jesus Christus begegnet uns in jedem Menschen. Hat er selbst gesagt. Er liebt es geradezu, im Einsamen, im Fremden, im Schutzbedürftigen bei mir anzuklopfen.

 

Zum Beispiel hier, in "Babylon Berlin“: Seit über 20 Jahren zieht eine kleine Gruppe aus meiner Neuköllner Gemeinde jeden Samstag mit heißem Tee und Stullen, also belegten Broten, zum Bahnhof Zoo. Dort halten sich viele Obdachlose auf. Dort ist Leben, dort fühlen sie sich weniger einsam. Die meisten von ihnen aber hausen im Elend. Liegen auf Pappen, alten Matratzen oder direkt auf dem Beton, ringsherum Müll. Es riecht unangenehm.

 

Viele von ihnen freuen sich, wenn wir kommen. Da schaut sie jemand an, sagt freundlich "Hallo“, bringt was zu Essen mit. Ein kurzer Moment Menschlichkeit. Übrigens für beide Seiten. So einen, ja, göttlichen Moment haben wir erlebt, als ein Obdachloser sagte: "Ihr habt mir nicht helfen können. Aber Ihr habt mir meine Würde zurückgegeben."

 

Die Würde des Menschen. Wo dieser göttliche Funke in uns aufstrahlt, da passiert Ungeahntes. Wunderbares. Würdevolles.

 

Und Jesus Christus geht sogar noch einen Schritt weiter, er sagt: "Was Du einem meiner Schwestern und Brüder Gutes getan hast, das hast Du mir getan." Gott identifiziert sich also mit diesem Obdachlosen, der da in einer Drecksecke des Bahnhofs liegt. In diesem Mann sucht Gott selbst eine Herberge bei uns.

 

Wie damals vor 2000 Jahren will Gott heute zur Welt kommen, immer wieder neu geboren werden – in Ihnen, in mir.  Das ist das Wunder der Heiligen Nacht. Ich wünsche Ihnen und allen, die zu Ihnen gehören, wahrhaft weihnachtliche Begegnungen.