Krieg mit Worten

Krieg mit Worten
Pastor Christian Rommert
26.10.2019 - 23:30
02.01.2019
Christian Rommert

Krieg mit Worten

Wenn ich als Pastor ein „Wort zum Sonntag“ spreche, dann bekomme ich hinterher oft unschöne E-Mails: „Ich wünsche Sie in die Hölle!“, schreibt mir jemand, oder: „Sollte es einen Gott geben, würde er sicherlich mit einem Blitz solches Bodenpersonal wie Sie zerschmettern.“ Wir wissen, das sind noch harmlose Worte. Andere bekommen viel bösartigere Kommentare: „Es wird Zeit, dass Ratten wie Ihr uns wieder fürchtet!“ oder „Wir wissen, wo Du wohnst, wir werden Dich töten!“ So ein abgrundtiefer Hass bringt mich als Christ in innere Schwierigkeiten. Eigentlich glaube ich, dass jeder Mensch ein Abbild des guten Gottes ist. Etwas Gutes in sich trägt! Bei all diesem Hass denk ich manchmal, dass der Mensch auch alles Gute und Göttliche in sich verlieren kann.

Wenn mir geschrieben wird: „Ihr Pfaffen seid doch alle Kinderschänder!“ - dann ist das die übliche Pfaffenprügel. Und selbst die reicht mir manchmal schon, sie gräbt sich in meine Seele. Wie muss das erst denen gehen, die Morddrohungen bekommen? Politikerinnen und Politiker. Die wirklich Angst haben müssen? Der Kampf gegen die Verrohung – das merken wir jetzt wohl alle, ist eine riesige und wirklich wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Es muss mit allen legalen Mitteln dagegen vorgegangen werden. Also: Strafbehörden einschalten, Anzeige erstatten. Das ist die rechtliche Seite. Aber die andere Seite ist es, die drohende Vergiftung unserer Seelen nicht zuzulassen. Sie geschieht auch mit Worten... Die vielleicht nicht gleich ein Fall für die Justiz sind.  Manche Menschen loten das rechtlich Mögliche aus. Sie wissen, was gerade noch so erlaubt ist. Und sie vergiften unsere Gesellschaft. Wie gehen wir damit um?

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ – das steht in meiner Bibel. Und jetzt müsste ich eigentlich dem Menschen, der mich in die Hölle schicken wollte, und der mich damit innerlich verletzt … ja, was müsste ich eigentlich? Normalerweise sperre ich, wenn jemand etwas Menschenverachtendes postet, sofort den Kontakt in den sozialen Medien. Ich kommentiere das auch nicht mehr. Ich diskutiere nicht mehr. Ich lösche. Aber dieses Mal wurde ich per E-Mail in die Hölle gewünscht. Unterschrieben mit vollem Namen. Das Böse mit Gutem überwinden? Und jetzt ? Ich habe geantwortet: „Sehr geehrter Herr Sowieso, ich möchte gerne verstehen, was Sie so wütend macht! Meinen Sie das ernst, was Sie da geschrieben haben? Jetzt, nach einer Nacht darüber schlafen?“

Die Antwort kam prompt: „Lieber Herr Rommert, meinen Ärger erkläre ich gerne noch einmal.“ Und was dann folgte war sachlich... höflich. Kein Blitz sollte mich mehr treffen! Und unterschrieben war alles „Mit freundlichen Grüßen!“ Ganz anders als die erste E-Mail. Zumindest hier hat es geholfen, nicht zurückzuhassen. Und stattdessen über die Wut zu reden. Hier hat es geholfen, dem E-Mail-Schreiber seinen Hass nicht zu glauben, sondern nachzufragen. Und hier geschah ein kleines Wunder: dass sich nämlich das Böse mit Gutem überwinden lässt. Und wenn das Böse böse bleibt? Dann: wegklicken, löschen, nicht kommentieren und natürlich strafrechtlich verfolgen. Und besonders im Alltag, in der Verwandtschaft, im Freundeskreis, in der Öffentlichkeit - wo immer diese Worte fallen, die uns innerlich zu vergiften drohen: dann widersprechen, die Verrohung anprangern und trotz allem am Glauben festhalten, dass sich das Böse mit dem Gutem überwinden lässt!

 

02.01.2019
Christian Rommert