Raushalten? Das Wort zum Sonntag vom 21.09.2019

Raushalten? Das Wort zum Sonntag vom 21.09.2019
Pastorin Annette Behnken
21.09.2019 - 23:35
02.01.2019
Annette Behnken

Mein Arbeitgeber hat mir gestern sogar frei gegeben. Damit ich für´s Klima auf die Straße gehen kann. Die Kirchen haben ausdrücklich aufgerufen: Geht da hin! Zeigt, wie viele wir sind! Zeigt, dass es überlebenswichtig ist, wofür wir streiken! Fridays for Future.

 

Die Kirchen machen mit und dagegen gibt es Protest. Kirche soll sich raus halten aus der Politik, sagen viele. Glaube sei Privatsache. Kirche kauft ein Schiff, um Flüchtende vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu retten. Und auch da: Protest: Haltet Euch da raus. Spielt euch nicht zu Moralaposteln auf. Dafür hat Kirche selbst zu viel Dreck am Stecken und zu viel Unheil angerichtet in der politischen Vergangenheit. Und fast immer, wenn ich ein Wort zum Sonntag gesprochen habe, bekomme ich Mails: Du Pastorin, misch dich nicht ein in politische Themen. Halt entweder die Klappe oder erzähl uns was vom Glauben und von Gott.

 

Okay! Erzähl ich Ihnen was von meinem persönlichen Glauben. Glaube fängt oft sehr persönlich an. Bei mir da, wo ich fühle, dass ich mein Leben geschenkt bekommen habe. Von etwas. Jemand. Den ich Gott nenne. In meinem Glauben ist Gott ein Gott der unbedingten Liebe zu allem, was lebendig ist. In meinem Glauben zählt das Gebot der Nächstenliebe: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. In meinem Glauben gilt, dass jeder Mensch, jedes Lebewesen, eine unantastbare Würde und einen eigenen Glanz hat. In meinem Glauben wurzelt die Überzeugung, dass wir das Leben feiern und auskosten sollen. Und allem, was lebt, mit Liebe und Respekt begegnen. In meinem Glauben weiß ich, dass ich das alles nicht immer 100%-ig hinkriege. In meinem Glauben bin ich aber sicher, dass, wenn wir uns auf unsere tiefste und innerste Überzeugung hin befragen, auf unsere Herzenswerte, dass wir dann Gutes entdecken können und dass wir aus dieser Quelle handeln sollen.

In all dem weiß ich genau, dass mein Glaube, dass der Glaube auch irren kann und ich nicht immer recht habe, dass ich manchmal meine Meinung ändern muss. Aber mein Orientierungspunkt bleibt dieser Glaube an den Gott der Liebe.

 

Also: Wenn ich von Gott und vom Glauben erzählen soll, dann kann ich die Welt nicht auslassen. Glaube mag sehr privat beginnen, aber er hört nie im Privaten auf. Und umgekehrt: Wenn ich politisch denke und rede, steckt da Glaube drin.

 

Und Kirche? In meinem Glauben ist Kirche da Kirche, wo sie für andere da ist. (Bonhoeffer)

Gestern zusammen mit vielen anderen für das Klima. Mit einem Rettungsschiff im Mittelmeer. Wenn ein Leben zu Ende gegangen ist - bei einer Beerdigung. Wenn die Liebe zwei erwischt hat – bei der Trauung. Wenn Menschen nicht mehr weiterwissen – in der Seelsorge. Mitten im Leben. Mitten in der Welt. Wo es um das geht, was uns unbedingt, zuinnerst und zutiefst angeht. In meinem Glauben ist Kirche da Kirche, wo sie anderen ein Segen ist.

02.01.2019
Annette Behnken