Urlaub vom Ego

Urlaub vom Ego
Pastoralreferentin Lissy Eichert
04.03.2017 - 23:35

Guten Abend!

Wenn ich bei mir - in Berlin-Neukölln - Kinder frage: „Wisst Ihr, was die Fastenzeit ist, die am Aschermittwoch begonnen hat“, schauen viele leicht verwirrt. Frage ich weiter: „Wisst Ihr denn, was Ramadan ist“, nicken die meisten. Wo ich zuhause bin, tragen viele Muslime ihren Glauben ganz natürlich und selbstbewusst in die Öffentlichkeit. Wer das tut, wirbelt Nachdenklichkeit auf - und so manche Vorstellungen durcheinander.

Zum Beispiel die, was Fasten im religiösen Sinn bedeutet: mein Leben in der Begegnung mit Gott neu in Form bringen. Oder – in „PC-Sprache“ – es neu formatieren: Was  kann ich weglassen, was korrigieren, was ist mir wirklich wichtig?

Fasten ist mehr als auf Süßkram oder das Feierabendbier zu verzichten. Wer im religiösen Sinne fastet, will nicht nur Körpergewicht loswerden, sondern seelischen Ballast.

„Die Seele beugen“ - so lässt sich das hebräische Wort für Fasten übersetzen. Oder anders: „Die Seele verneigt sich“. Ein schönes Bild, finde ich. Weil dieses Verneigen nichts zu tun hat mit Unterdrückung oder Untertanengeist. Es geschieht freiwillig, als eine Geste des Respekts  - vor Gott.

Denn: Gott ist immer mindestens eine Nummer größer als ich.

Wer fastet, gönnt sich „Urlaub vom Ego“. Wer fastet, schraubt die eigenen Bedürfnisse eine Zeit lang zurück, um mehr auf die Bedürfnisse von anderen zu achten. Und - auch auf die Bedürfnisse Gottes.  

In der religiösen Praxis wurde das Fasten leider manchmal als eine Leistung verstanden, mit der man Gott „um den Finger wickeln“ wollte: „Schau her, lieber Gott, wie toll ich bin! Da musst Du mir doch geben, was ich mir wünsche!“ 

Und so musste schon der Prophet Jesaja erklären, wie Fasten richtig geht. Dazu lässt er Gott sagen:

Ist das ein Fasten, wie ich es liebe, wenn man zankt und streitet, Geschäfte macht, den Kopf hängen lässt? Nein! Ein Fasten, wie ich es liebe, ist, wenn du die Fesseln des Unrechts löst, jedes Joch zerbrichst, die Versklavten freilässt, an die Hungrigen dein Brot austeilst, die obdachlosen Armen in dein Haus aufnimmst - und dich deinen Verwandten nicht entziehst.“ (vgl. Jes 58,3ff)

Das ist fromm. Und das ist politisch. Befreiung von Selbstausbeutung und von Zwängen. Gütergemeinschaft. Teilhabe. Liebevoll miteinander umgehen.

Ein schönes Beispiel für „fromm und politisch“ ist die Fastenaktion des katholischen Hilfswerks MISEREOR. Da werden Spenden gesammelt, aber nicht nur: MISEREOR klärt auf über die Zusammenhänge von Armut und Ausbeutung. Zeigt Wege, den Hunger und die Korruption zu bekämpfen. Stichwort: Hilfe zur Selbsthilfe. In diesem Jahr stehen die existenziellen Sorgen der Kleinbauern in Burkina Faso am Rande der Sahelzone im Mittelpunkt. MISEREOR gibt ihnen eine finanzielle Starthilfe für den Anbau von Hirse, Maniok oder Zwiebeln. Dabei geht es nicht darum, satte Gewinne einzufahren, sondern die Menschen satt zu machen.  

Ich vermute: „Das ist ein Fasten, wie Gott es liebt.“

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.