Weltuntergang

Weltuntergang
Pfarrerin Dr. Stefanie Schardien
08.02.2020 - 23:45
08.01.2020
Dr. Stefanie Schardien

Apfelbäume im Weltuntergang

Guten Abend, am Montagabend saß ich in einer zunächst etwas merkwürdig anmutenden Veranstaltung unserer Kirchengemeinde. Da diskutierten ein Polizeidirektor, eine Frauenhaus-Vertreterin und Seelsorger. Im Publikum Menschen aus Fürth. Der Saal voll besetzt. Nur das Thema des Abends klang seltsam: „Weltuntergang“. Da saßen keine Spinner oder wirre Unheilspropheten. Die Frage war ernst gemeint: Haben wir im Moment Angst, dass unsere Welt irgendwie untergeht?

Der Blick auf die Fakten zeigt anderes, für uns in Deutschland allemal: noch nie haben wir so gesund, so wohlsituiert und sicher gelebt wie heute. Ja, auch bei allem, was im Argen liegt, statistisch insgesamt mal: so gut wie noch nie.
Trotzdem schauen wir zurzeit oft anders, ziemlich verzweifelt, auf die Welt.

Ich kann mich ziemlich genau an meine ersten Weltuntergangsgefühle erinnern: Im April 1986. Tschernobyl. Die Reaktorkatastrophe. So besorgt hatte ich Erwachsene noch nie gesehen. Ob wir bei der Strahlenbelastung auf unserer Klassenfahrt noch an den Strand dürften? Mir wurde damals schlagartig klar: Meine schöne, geborgene Welt kann kaputtgehen. Damals hab ich aber auch das erste Mal gehört: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Verstanden hab ich das damals noch nicht.

Im Moment ist es leider einfach, Dinge zu finden, die nach Weltuntergang ausschauen: Grönland schmilzt unterirdisch, der Nationalismus geht allerorten – sogar in Deutschland – wieder auf Seelenfang, Missbrauchsopfer erzählen Grauenvolles, Kriege enden nicht und Menschen wählen ernsthaft Machthaber, denen ich nicht mal ein Streichholz in die Hand geben würde… Eine Frau bei der Diskussion sagte: „Auch wie respektlos viele neuerdings mit anderen umgehen. Dieser ganze Hass überall.“ Nein, es fällt nicht schwer, beim Blick auf die Nachrichten zu denken: Alles wird immer schlimmer.

Ich kann so ängstlich auf die Welt blicken und mich vor allem verstecken. Ich kann durch all diese Katastrophen auch egoistisch werden: Hole ich halt noch das Beste für mich raus. Es gibt aber eine Alternative: ich kann eben auch Apfelbäume pflanzen. Apfelbäume - dieses Bild kommt mir neuerdings wieder öfter in den Sinn. Lange Zeit wurde der Satz dem Reformator Martin Luther zugeschrieben. Am Ende des Mittelalters mussten sich die Menschen auch entscheiden, wie sie mit der allgegenwärtigen Furcht vor Hölle, Tod und Teufel umgehen. Der junge Luther fand: Die einzig sinnvolle Alternative sei es, jeden Tag daran festzuhalten: Allen Ängsten entgegen kann es gut werden mit diesem Leben. Weil Christen an einen Gott glauben, der die Hoffnung für diese Welt nicht aufgibt und nicht einfach alles vor die Hunde gehen lässt. Mich tröstet das. Und diese Hoffnung macht mich vor allem mutig, in die Weltuntergangsstimmung hinein Apfelbäume zu pflanzen. Also etwas zu tun, das dieses Leben jeden geschenkten Tag friedlicher, gerechter oder freundlicher macht. Ich habe da eine Menge Ideen und Sie sicher auch.
Denn wer weiß, ob die Welt vor Staunen darüber ihren Untergang nicht doch absagt?
Ich wünsche Ihnen allen eine hoffnungsfrohe, gesegnete Nacht!

08.01.2020
Dr. Stefanie Schardien