Geschichte der Kirche

Geschichte der Kirche

Die Stiftskirche zu Neustadt ist eine dreischiffige, spätgotische Basilika aus dem 14. Jh., 62 Meter lang, das Mittelschiff über 15 Meter hoch, die Westfassade ist 27 Meter breit und 68 Meter hoch. Viel zu wuchtig wirkt sie für das eng gebaute Neustadt. Da sie als Grabstätte

und Gedächtnisort der pfälzischen Kurfürsten aus dem Hause Wittelsbach bestimmt war, dachten diese beim Bau in anderen Dimensionen als die Neustadter Bürger damals. Heute ist sie eine von 65 Simultankirchen (nur noch 15 mit Trennmauer) und Heimat für eine evangelische und eine katholische Gemeinde.

Rund um die Stiftskirche kann man Strebepfeiler mit Kreuzblumen und figürliche Wasserspeier entdecken. Auf der Süd- oder Marktplatzseite finden sich Inschriften wie der Hinweis auf die Grundsteinlegung für den Stiftschor (1368) oder Brezelmaße und ein Hirsch, die auf Verkaufsstände hindeuten.

Die mächtigen Türme an der Westseite beherbergen sieben Glocken, darunter die größte läutbare Gussstahlglocke der Welt (Nordturm). Der Südturm mit seinem barocken Dachstuhl und der Turmwohnung war bis 1995 bewohnt. Der biblische Spruch „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (Prediger 3) erinnert daran, dass der Mensch nicht Herr über die Zeit ist.

Die Vorhalle (Paradies) an der Westfassade wurde vor 1440 mit farbenfrohen Bildern von Propheten, Evangelisten, musizierenden Engeln und Kirchenvätern ausgestattet. Auch entdeckt man ein Steinrelief von König David mit einem Judenhut sowie Grabplatten aus späterer Zeit. Hier ist das Hauptportal, im Mittelalter das „Tor zum Himmel“ (Porta coeli) genannt. Im Norden und Süden gibt es weitere Eingänge.

Das Langhaus im evangelischen Teil beeindruckt nach der 2013 abgeschlossenen Renovierung durch seinen lichtdurchfluteten Raum mit vielen Details, darunter freigelegte Wandmalereien, Schlusssteine mit Wappen und mit Glaubenssymbolen, Grabplatten,

Gedenktafeln sowie das Fürsten- und das Reformatorenfenster. An den in der Stiftskirche bestatteten Reformator Zacharias Ursinus erinnert eine Tafel. Die mit Symbolfarben gestaltete Korbkanzel (um 1410) ist eine der ältesten ihrer Art und steht seit 2013 am alten Standort, mitten in der Gemeinde.

Der Altarraum endet mit der Mauer, die seit 1714 den katholischen vom evangelischen Teil

trennt, und ist eines der letzten Zeugnisse des „Simultaneums“. Das Mosaik der Auferstehung Christi von August Babberger (1929) ist ein Meisterwerk des Spätexpressionismus.

Hier befinden sich auch der Teil eines Chorgestühls (um 1480) sowie eine Wappentafel von Kurfürst Friedrich V. zur 100-Jahrfeier der Reformation (1617).

Der Chorraum der Stiftskirche (katholischer Teil) ist seit 2010 Gottesdienstraum einer Gemeinde nach tridentinischem (lateinischem) Ritus. Hier finden sich das mittelalterliche „Jüngste Gericht“ sowie Grabplatten für Fürsten aus dem Haus Wittelsbach, die einst die Kirche gestiftet hatten und für die an diesem Ort heute noch Messen gelesen werden.

(aus Michael Landgraf, Die Stiftskirche zu Neustadt an der Weinstraße, Neustadt, 2 Auflage) 2018, mit freundlicher Genehmigung des Agiro-Verlags).