Geschichte der Kirche

Geschichte der Kirche

Die Martinskirche

 

Die Martinskirche ist der zweitälteste Darmstädter Kirchenbau nach der Stadtkirche. Er wurde 1883-85 in einem stark wachsenden Arbeiter- und Handwerkerviertel errichtet, das nach der Kirche den Namen Martinsviertel erhielt. Am 11. November 1885 erfolgte die Weihe in Anwesenheit von Großherzog Ludwig IV., der Altar- und Kanzelbibel sowie Abendmahls- und Taufgeräte gestiftet hatte. Die Kirche trät ihren Namen in Erinnerung an den Reformator Martin Luther und den Heiligen Martin von Tours. Der Privatgelehrte Max Rieger hatte die Mittel sowohl für den Bau von Kirche und Gemeindehaus als auch für die Errichtung einer Pfarrstelle inklusive Pfarrhaus zur Verfügung gestellt. Mit der Einweihung der Kirche wurde zugleich die evangelische Martinsgemeinde errichtet und der erste Pfarrer Dr. Friedrich Flöring (1859-1941) in sein Amt eingeführt.

Im Ersten Weltkrieg verlor die Martinskirche zwei ihrer drei Glocken, die für Rüstungszwecke eingeschmolzen wurden. Sie wurden 1921 durch zwei neue Glocken ersetzt. Im Herbst 1933 wurde die Kirche umfassend renoviert, die Orgelempore um einige Meter nach vorne verschoben, damit man dem bekannten Kirchenchor der Gemeinde ausreichend Platz gewähren konnte und auch genügend Raum für ein Orchester hatte.

Bei Bombenangriffen im September 1943 und September 1944 wurde die Kirche zum größten Teil zerstört, nur Außenmauern, Chorraum und Taufkapelle blieben erhalten. Etwa fünf Jahre dauerte der Wiederaufbau in vereinfachten Formen. Im November 1951 war die Kirche wieder hergestellt und konnte zur ersten Martinskerb nach Kriegsende wieder eingeweiht werden. 1959 erhielt die Martinskirche vier neue Glocken. In den 1960er und 1990er Jahren erfolgten umfassende Sanierungen, 2009 erhielt die Kirche ein neues Dach.

Der Bauentwurf des Architekten Aage von Kauffmann nahm Elemente aus vielen Epochen der Baukunst auf. Die Westfassade mit dem hoch aufragenden Turm, den Fachwerkaufbauten und der aus der Fassade ragenden Taufkapelle fiel aus dem gängigen Kirchenbaustil der damaligen Zeit heraus. Die Fassade nahm Formen des romantischen Burgenstils der Zeit auf und sollte an die Wartburg und Luthers berühmtes Lied „Ein Feste Burg ist unser Gott“ erinnern. Beim Wiederaufbau wurde die Fassade vereinfacht, der Turm in gedrungener Form mit größerem Volumen neu errichtet. Das ursprüngliche Zeltdach des Hauptschiffs wurde durch eine Holztonne ersetzt. Nur Chor und Taufkapelle hatten die Zerstörung mit geringen Schäden überstanden.

Die Kirche stellt in ihrer heutigen Form eine klassische Pfeilerbasilika mit Langhaus, zwei kleinen Seitenschiffen und Querschiffen dar, daran anschließend der Chorraum. Über dem Westteil befindet sich die Orgelempore, die durch Galerien über den Seitenschiffen mit den Emporen über den Querschiffen verbunden ist. Im Erdgeschoss des südlichen Querschiffs wurde im Jahr 2000 ein durch eine Glaswand abgetrennter Andachtsraum geschaffen. Zur heute noch erhaltenen historischen Innenausstattung gehören die Lutherstatue und das Taufbecken in der Taufkapelle, die Eingangsportale sowie der Sakristeischrank und der Altar im Chor. In der Taufkapelle und im Chor hat sich darüber hinaus das originale Kreuzrippengewölbe der Entstehungszeit erhalten. Die drei farbigen Glasfenster im Chorraum wurden 1944 zerstört. Das neue Mittelfenster mit einer Kreuzigungsszene schuf der Kunstmaler Max Lüder 1951. Die beiden 1966 geschaffenen Seitenfenster von Heinz Hindorf zeigen Erzählungen aus den Evangelien, links vor allem das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32), rechts das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lucas 10, 25-37).

Die Martinskirche vermittelt im Innern heute einen Kontrast zwischen dem durch den Wiederaufbau einfacher gehaltenen Kirchenschiff und der besser erhaltenen ornamentreichen Architektur der Taufkapelle und des Chors. Die Architektur verleiht dem Kirchenraum insgesamt Geschlossenheit und Einheitlichkeit. Das Kirchenschiff korrespondiert mit dem Altarraum, indem es auf diesen hinweist und sich selbst gegenüber diesem zurücknimmt.