Mach’s gut!

Mach’s gut!
Neue Medien, neue Qualitäten

Die Machtübernahme des Publikums

 

Was ist Qualität im Online-Journalismus, welche Besonderheiten gelten im Medium? Der 8. Frankfurter Tag des Online-Journalismus wollte sich unter dem Titel "Mach's gut! Neue Medien, neue Qualitäten" mit diesen Themen auseinandersetzen.

 

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Berichterstattung  Jannis Kurcharz und Hanna Klein

 

###f03###Dass es dann in Vorträgen und Diskussionen vor allem um die Einbeziehung des Publikums ging, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch – ist doch journalistische Qualität im Internet ohne eine adäquate Nutzerbeteiligung nicht mehr vorstellbar.

 

Dirk von Gehlen, Redaktionsleiter von jetzt.de, rief dazu auf, das Netz weniger als neues Medium und mehr als Raum zu begreifen, in dem nicht einfach publiziert, sondern kommuniziert wird. "Online-Journalisten sind in diesem Raum die Gastgeber für ihre Leser", so Gehlen. Er regte in diesem Zusammenhang an, statt von Abonnenten von Mitgliedern einer Gemeinschaft zu sprechen. So könnten auch die Rundfunkgebühren zukünftig eher "als Mitgliedsbeiträge gesehen werden".

 

Die Veränderung der Beziehung zwischen Journalisten und ihrem Publikum unterstrich auch der Hamburger Sozialforscher Jan-Hinrik Schmidt: "Es kommt zu einer Konvergenz von Konversation und Publikation. Private Äußerungen und professioneller Journalismus verschwimmen und ergänzen sich gegenseitig."

 

Zwischen Konversation und Filterbubble

Kathrin Passig stellte vor allem die Wichtigkeit guter Diskussionen im Netz und die eigene Horizonterweiterung für die Nutzer in den Vordergrund. Wieder einmal räumte die Autorin mit dem Phänomen der Filterbubble auf, einer Theorie, die besagt, dass wir online von den Algorithmen der Anbieter abhängig sind, dadurch kaum noch Überraschendes zu Gesicht bekommen und uns wie in einer Blase bewegen. Doch Passig stellt klar: "Die eigentliche Filterbubble ist nicht im Netz, sondern im eigenen Kopf." Denn über den "Weiterklickwunsch", also ob ein Leser etwas lesen möchte oder nicht, entscheidet immer noch der Nutzer selbst.

 

Mut zum Experimentieren

]Was Markus Beckedahl lesen möchte, formulierte er als klare Forderung an die Journalisten. Als "Lobbyist des Publikums" forderte der Gründer von Netzpolitik.org und des Vereins Digitalen Gesellschaft beispielsweise, dass sich Inhalte leichter verlinken und einbetten lassen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte seine Beiträge unter freien Lizenzen zum Download anbieten, da die Nutzer letztendlich bereits dafür bezahlt hätten. Für die Zukunft riet er den Entscheidern in den tradierten Medienhäusern: "Die jungen Journalisten haben gute Ideen, lasst sie experimentieren".

 

Was dabei heraus kommen kann, zeigt derzeit Richard Gutjahr beim Bayerischen Rundfunk. Bei seiner "Rundshow" gibt er die Macht über die Sendung gleich komplett in die Hände der Zuschauer. In Form einer Smartphone-App mit dem Namen "Die Macht" kann sich das Publikum direkt an der Sendung beteiligen, über Themen abstimmen und Applaus oder Buhrufe vom heimischen Sofa aus ins Studio schicken. Da die Premiere der Show auf denselben Tag wie die Tagung fiel, konnte Gutjahr nicht live vor Ort sein und wurde per Videochat zugeschaltet.

 

Rollenverständnis des Online-Journalismus noch unklar

Doch guter Online-Journalismus braucht nicht immer zwangsläufig Nutzerbeteiligung. "Guter Online-Journalismus heißt die Inhalte digital neu zu denken.", sagte der freie Journalist Klaus Raab auf der Veranstaltung. "Online ist in Medienhäusern oft noch zweite Priorität und Inhalte werden einfach automatisch übernommen." Ein Vorgehen, das beispielsweise für die Erstellung von Zeitungen undenkbar wäre. Die Kunst sei es, für Inhalte die passenden Formate und Darstellungsformen zu finden. Was bei den klassischen Medien Routine ist, stellt Journalisten im Netz vor große Herausforderungen und viele neue Möglichkeiten.

 

Dass der Online-Journalismus in vielen Redaktionen noch stiefmütterlich behandelt wird, hatte auch der Journalistik-Professor Vinzenz Wyss in einer Schweizer Studie herausgefunden. "Im Online-Journalismus fehlt es an Strukturen zur Qualitätssicherung", äußerte er sich zum Thema der Veranstaltung. "Warum gibt es in den Onlineredaktionen eigentlich kein Pendant zur Blatt- oder Sendungskritik?", bemängelte der Wissenschaftler die fehlende Auseinandersetzung mit dem eigenen Produkt. Erst wenn die Redaktionen den Online-Journalismus auf eine Stufe mit den anderen Ressorts heben, kann er von der "Stiefmutter zur Mutterdisziplin werden", die alle Aspekte - ob Text, Bild, Video oder Audio - vereint. Bezeichnend für die Trennung der "Disziplinen" in den Köpfen der Journalisten sieht Wyss auch den Begriff des Online-Journalismus an sich. Seiner Meinung nach sollte zukünftig schlicht von Journalismus die Rede sein. Damit würde dann auch der "Frankfurter Tag des Online-Journalismus" in Frage gestellt, was die meisten Teilnehmer vermutlich bedauern würden.

 

Wie auch in den vergangenen Jahren war die Veranstaltung auch im Netz präsent. Über Twitter, Facebook und den Livestream konnten Interessierte auch von "draußen" dabei sein und sich in die Diskussionen einbringen. Alle Vorträge sind auf der 

Veranstaltungsseite des hr bereit.

 

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Und zum Anmeldeformular: https://rundfunk.evangelisch.de/veranstaltungen/anmeldung

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