Gedanken zur Woche

Gedanken zur Woche

Bild: Fresko von Giotto, Cappella degli Scrovegni, Padua, Italien

Gedanken zur Woche
13.02.2015 - 06:35
23.02.2015
Pfarrer Jörg Machel

Natürlich war die Berlinale diese Woche Thema in meiner Kreuzberger Kirchengemeinde. Doch es war kein Berlinalefilm über den wir ins Gespräch kamen. Wir diskutierten einen russischen Spielfilm über den Abzug der Roten Armee aus Afghanistan. Er heißt „Die neunte Kompanie“. Ein ungewöhnlicher Film, besonders wenn man ihn mit den Kriegsfilmen der Sowjetzeit vergleicht. Kein Heldenepos, keine Siegerpose, keine moralische Überlegenheit. Der Krieg wird in all seiner Schrecklichkeit gezeigt. Schon die entwürdigenden Rituale im Ausbildungslager erzeugen Ekel. Auf dem Schlachtfeld bleibt nur noch die Loyalität zu den Kameraden, andere Motive und Ziele sind nicht mehr zu erkennen.

 

Wir sprachen über einen Film aus dem Jahre 2005 – und landeten ganz schnell in der Gegenwart: Beim Krieg in der Ukraine.

 

Gerhard meint, dass es in Amerika Kreise gibt, denen die Eskalation an der Nahtstelle zwischen Russland und dem Westen gerade recht kommt. Hardliner, die an vielen Orten zündeln und eben auch dort. Wenn es irgendwo knallt, dann klingelt es bei diesen Leuten in der Kasse. Hinter der Krise in der Ukraine vermutet er einen Masterplan der Amerikaner.

 

Marta kann sich kaum auf ihrem Stuhl halten, so empört ist sie. In ihren Ohren ist das russische Propaganda. Ihre Familie stammt aus Polen. Wir Polen fühlen uns bedroht durch Russland, so sagt sie. Marta erinnert an die Geschichte ihres Landes und befürchtet, dass man die Ukraine opfern könnte, um des lieben Friedens willen. Natürlich muss man den Ukrainern helfen, denn Russland führt einen verdeckten Krieg gegen einen unabhängigen Staat. Beweise dafür gibt es genug, man muss sie nur sehen wollen.

 

Zwischen diesen beiden Positionen pendelt die Diskussionsrunde mit wechselnden Mehrheiten. Mit seiner Schuldzuweisung gegen Amerika steht Gerhard ziemlich alleine da. Aber dass auf westlicher Seite Fehler gemacht wurden, das sehen Viele. 

 

Bei der Vorstellung, den russischen Waffenlieferungen an die Separatisten mit westlicher Militärhilfe zu begegnen, ist den Meisten unbehaglich.

 

Doch wie soll es weiter gehen? Welche Ziele verfolgt Putin mit seiner Politik, welche Deutschland und die EU? Wie verhindert man, dass die europäische Nachkriegsordnung ins Wanken gerät? 

 

Für die Zivilbevölkerung in der Ostukraine spielen solche Überlegungen eine nachgeordnete Rolle. Sie wollen überleben. Es interessiert sie nicht, ob es die Raketen von Separatisten oder von Regierungstruppen sind, die in ihre Häuser einschlagen. Womöglich spielt es für sie noch nicht einmal eine Rolle, ob sie unter russischer oder ukrainischer Flagge leben. Sie wollen Sicherheit und Frieden.

 

Als Christ frage ich mich, auf welcher Seite der Front Jesus wohl anzutreffen wäre in diesem Konflikt. Sowohl die Kirche der Ukraine als auch die russische Kirche reklamieren ihn für sich. Ich vermute allerdings, Jesus säße in den Kellern der zerbombten Städte bei den Kindern und den Alten. Und wenn die Soldaten kämen, dann spräche er mit ihnen und hätte Tränen in den Augen. Nein, mein Jesus ermuntert zu keinen Kampfeinsätzen. Von Waffen hält er nichts, seinem Jünger befiehlt er das Schwert wegzulegen, als der ihn verteidigen will. Er redet mit den Menschen, er versucht ihnen die Augen zu öffnen für das Leid, das sie anrichten. 

 

Auf viele meiner Fragen hätte Jesus keine Antwort, so vermute ich, er würde in den Sand malen und schweigen. Doch ich bin mir sicher, folgten wir den Antworten, die er bereits gegeben hat, es würden sich viele dieser Fragen von selbst erledigen.

 

Falls Sie mit mir über Ihre Vision vom Frieden reden möchten, erreichen Sie mich bis um acht Uhr unter der Nummer 030 für Berlin und dann 616 93 222 oder auf Facebook unter: „deutschlandradio.evangelisch“.

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23.02.2015
Pfarrer Jörg Machel