„Sind´s gute Leut, sind´s schlechte Leut?“

„Sind´s gute Leut, sind´s schlechte Leut?“
mit Pfarrerin Stefanie Schardien
05.12.2020 - 23:30
06.11.2020
Stefanie Schardien

Guten Abend, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

so, Kinder im Bett, Stiefel vor der Tür. Für Nikolaus. Und nun stellen Sie sich vor: nachher, in den frühen Morgenstunden klopft es auf einmal tatsächlich laut an Ihre Tür. Draußen zwei Männer, dick eingepackt in Mäntel. Einer eher finster, in Schwarz. Der andere freundlicher, im leuchtenden Rot, mit weißem Rauschebart und neben ihm ein Sack, prall gefüllt. Ah… okay. Ihnen dämmert es. Die beiden wollen zu den Stiefeln. Der Kinder natürlich.  Wie jedes Jahr. Aber falsch gedacht.

„Nein“, sagt der Finstere: „Es geht um Dich. Sagen wir: eine Art Controlling.“ Der Finstere holt ein großes Buch heraus und blättert. „Dann wollen wir mal sehen… 6.12.2019 bis 5.12.2020…. Wie würdest Du Dich einschätzen? Wie lief es denn so?“

Tja, wie wäre das? Wenn der Heilige Nikolaus und sein Knecht Ruprecht oder Krampus oder wie er auch bei Ihnen heißt heute Nacht zu uns kämen? Und Bilanz ziehen wollten? Auch bei uns Erwachsenen! Ich weiß noch, als Kind war ich jedes Mal etwas nervös vor diesem Nikolaustag. Kann ich mein Gedicht auswendig? Aber vor allem, weil es um diese Fragen aus dem alten Gedicht gehen würde: Sind’s gute Kind? Sind’s böse Kind? Am Ende stand dann neben den Süßigkeiten auch zumindest immer eine kleine Rute im Stiefel.

Diesen finsteren Knecht-Ruprecht–Typ mit der Rute sehe ich heute kaum noch. Vielleicht, weil er pädagogisch verpönt ist? Weil Eltern ihn als Druckmittel missbraucht haben und die Kinder womöglich einen Schaden fürs Leben bekamen? Siehst Du, wenn Du nicht lieb bist, dann… So einen Ruprecht hätte ich auch abgeschafft.

Also schaut heute kein finsterer Gesell vom Nikolaus mehr ins Buch. Schluss mit Abfragen und Beurteilen. Mag eh niemand. Aber: Was wäre an einer Art Controlling eigentlich so schlecht? Ein Rückblick auf das Jahr, auf das, was ich gut und was ich schlecht gemacht hab. 
Also: Was würde Knecht Ruprecht Ihnen und mir vom 6.12.19 bis heute vorlesen? Vielleicht würden wir manches diskutieren: Es ist ja nicht immer so klar, was gut oder böse ist oder was anders gemeint war. Manchmal würde der finstere Gesell aber den Kopf schütteln. Manchmal gibt es nichts zu diskutieren. Manches war einfach nicht gut.
Aber Ruprecht ist ja nur der Knecht. Er arbeitet dem Nikolaus nur zu. Diesem gütigen Bischof, der vor vielen hundert Jahren so viel Gutes getan hat.

Nikolaus räuspert sich und meldet sich endlich auch mal zu Wort. „Kommen wir zu dem, was noch wichtiger ist…“ Er holt sein eigenes Buch heraus. Goldglänzend. Während er nach meinem Namen blättert, erwische ich einen Blick hinein und sehe: Jede einzelne Namens-Seite beginnt mit denselben Worten, großgeschrieben: Du bist ein geliebtes Kind Gottes. Ein geliebtes Kind Gottes! Egal, was dann noch kommt an Lob. Egal wie die Bilanz im Vergleich zu Knecht Ruprecht aussieht. Zuerst steht: Du bist ein geliebtes Kind Gottes.

Sollte es bei Ihnen heute Nacht also klopfen, dann lassen sie beide in ihr Herz: Den Ruprecht für eine Bilanz und den Nikolaus mit dem goldenen Buch. In der Kombi sind sie für unser Leben unschlagbar. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nikolausnacht.

 

 

06.11.2020
Stefanie Schardien