Gegen den geistlichen Missbrauch

Wort zum Tage
Gegen den geistlichen Missbrauch
29.03.2019 - 06:20
14.02.2019
Florian Ihsen
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„Hallo, vor einer Woche bin ich getauft worden. Irgendwie bin ich durcheinander. Was kommt jetzt? Was soll ich tun? Normal weiterleben? Ich kann irgendwie nicht loslassen. Haben das andere auch nach der Taufe? Ich mache mir viel Druck, ich bin so unruhig, wie soll ich mich verhalten?“

Das schreibt Moni an eine christliche Facebookgruppe. Die Antworten darauf haben mich überrascht, sogar schockiert. „Du bist in Gottes Händen“ „Gib dich Gott ganz hin“. „Jesus sorgt sich um dich“ und so weiter… Eigentlich wertvolle fromme Gedanken und Wünsche. Aber hier machen sie mich ratlos, ja auch wütend. Und als ich dann in die Facebookgruppe reinschreibe: Moni, sprich doch mal mit einer Beraterin, einer Therapeutin, einer Seelsorgerin, kommt glatt die Antwort eines anderen: „Jesus ist der beste Seelsorger.“

Fromme Sprüche können Phrasen werden. Und manchmal sind sie fehl am Platz. Und schlimmer noch: Fromme Phrasen können der Anfang von Missbrauch sein. Von Machtmissbrauch und geistlichem Missbrauch. Geistlicher Missbrauch ist, wenn Hilfsbedürftige, Ratsuchende und Schutzbefohlene echte Hilfe verweigert wird. Wenn man meint, alle Probleme und Themen des Lebens rein geistlich lösen zu können. Das ist der Nährboden, auf dem manchmal schlimmere Formen von Missbrauch gedeihen. Sexueller Missbrauch im Raum der Kirche ist meist eine Folge von geistlichem Missbrauch.

Das Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ sagt in seiner letzten Strophe für mich sehr anschaulich, was das heißt: im eigenen Leben „nur“ den lieben Gott walten lassen.

Sing bet und geh auf Gottes Wegen,
verricht das Deine nur getreu,
und trau des Himmels reichem Segen,
so wird er bei dir werden neu.
Denn welcher seine Zuversicht
auf Gott setzt, den verlässt er nicht.

Gottvertrauen ja. Und gleichzeitig das Meine tun. Das heißt doch: Mit gesundem Menschenverstand an die Probleme des Lebens herangehen. Gottvertrauen und Menschenverstand sind keine Gegensätze. Auf Gott vertrauen und mir professionelle Hilfe für ein Problem nehmen sind keine Alternativen. Gott traut mir zu, mein Leben als Erwachsener selbst zu gestalten. Und wo es Risse bekommen hat, mir die Hilfe zu holen, die ich brauche. Es ist unsinnig und kann auch gefährlich werden, zu warten, dass Gott alle unsere Probleme löst. Da müssen wir selber mitmachen und das Unsere tun. Und uns dazu Hilfe holen. Und auch: singen und beten. Und dabei womöglich spüren: Gott ist da.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

14.02.2019
Florian Ihsen