Den 501. Reformationstag selbstkritisch und selbstbewusst feiern

Morgenandacht
Den 501. Reformationstag selbstkritisch und selbstbewusst feiern
31.10.2018 - 06:35
13.09.2018
Heidrun Dörken
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Den runden Geburtstag habe ich gern groß gefeiert. Mein Fünfzigster war lang geplant und viel Arbeit. Ich war aufgeregt und hatte gemischte Gefühle. Und dann war‘s ein wunderbares Fest: glückliche Momente, Überraschungsgäste und Musik. Das wirkt lange nach. Im Jahr drauf, beim einundfünfzigsten, sollte es aber kleiner sein und wenig Aufwand. Das war auch schön.

 

Genauso geht es mir mit dem Reformationstag heute. Im letzten Jahr war die Fünfhundertjahrfeier des Thesenanschlags von Martin Luther. Mit seinen 95 Thesen hatte er von Wittenberg aus die damalige Kirche erschüttert und die Welt verändert. Auslöser war der Ablasshandel: Seelenheil gegen Geld. Dagegen setzen die Reformatoren, also beileibe nicht Luther allein, den Glauben an Gottes Güte. Ohne Bedingungen. Von Gottes Liebe konnte dann bald jedes Kind, jede Frau und jeder Mann erfahren durch die Bibel. Denn sie war endlich zu verstehen in der eigenen Muttersprache. Die Übersetzung war eine der großen Leistungen der reformatorischen Bewegung, zusammen mit ihren Bildungsreformen, damit die Leute überhaupt lesen konnten.

 

Letztes Jahr, 2017, war ausnahmsweise Feiertag in ganz Deutschland. Die Kirchen waren voller als am Heiligabend. Es war Gott sei Dank ein Fest für viele, nicht nur für evangelische Christen. Die katholischen Nachbarn haben fast überall mitgefeiert. Und die wunderbare Überraschung war, wie wichtig der fünfhundertste Reformationstag war für Gläubige und Nicht-Gläubige. Für alle, die interessiert sind an der Geistesgeschichte, die unser Land und dann auch die Welt geprägt hat und weiter prägt. An Herkunft und Praxis von Werten, Kultur und sozialer Verantwortung.

 

Und heute, ein Jahr danach, ist der Reformationstag nicht nur wie bisher in Ostdeutschland ein arbeitsfreier Feiertag, sondern jetzt auch dauerhaft in Norddeutschland. Das freut mich, selbst wenn heute kleiner gefeiert wird. Oder erst am Abend, wie bei mir in Hessen, im Süden und Westen, weil Arbeitstag ist. Mir ist heute zum nachdenklichen Feiern zumute. Den fünfhundertersten Reformationstag will ich selbstkritisch und selbstbewusst begehen.

 

Selbstkritisch ist klar. Denn eine Einsicht der Reformation ist: Sie muss weitergehen. Jede und jeder Einzelne und genauso die Kirche bleiben sich nur treu, wenn sie sich ändern, da wo es nötig ist. Die evangelische Kirche ist dann lebendig, wenn sie sich kritische Fragen stellt und stellen lässt. Zum Beispiel diese beiden: Wie wird sie noch besser ihrem Auftrag gerecht, die Liebe Gottes ohne Bedingungen weiterzusagen, so dass viele davon in ihrem Alltag erfahren. Und zweitens, gibt sie Orientierung? Nicht von oben herab, sondern so, dass jede und jeder frei, informiert und zugleich getröstet den eigenen Weg findet? Der Reformationstag ist dazu da, darüber nachzudenken. Ich finde, ähnliche Fragen zum eigenen Auftrag und wie man ihn erfüllt, tuen auch anderen Institutionen, Organisationen und Religionen gut.

 

Doch Selbstkritik allein ist noch nicht festlich. Zum Glück finde ich so viel, für das ich heute dankbar bin und was mich auch selbstbewusst macht:

Ich bin dankbar für gute biblische Auslegung im Gottesdienst oder bei einer Radioandacht. Für Entdeckungen beim Lesen der Bibel allein oder mit anderen. Für Herzensbildung mit den Konfirmanden genauso wie für Seelsorge für Menschen in Not. Ich bin froh, wie viele in ihrer Gemeinde vor Ort Heimat finden, auf Dauer oder auf Zeit. Eine Heimat, die offen ist für andere. Und ich bin dankbar für die vielen, für die Nächstenliebe sowohl persönlich als auch politisch Richtschnur ist. Das alles auf der Grundlage, mit Vertrauen auf Gott durchs Leben zu gehen. In welchem Rahmen auch immer das gefeiert wird: Es ist eine große Sache.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.09.2018
Heidrun Dörken