Tee und Gebete im Tower von London

Morgenandacht
Tee und Gebete im Tower von London
27.12.2019 - 06:35
18.07.2019
Heidrun Dörken
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„Du wirst im Tower von London übernachten!“ Dieser Satz hätte einen bis vor rund achtzig Jahren in Angst und Schrecken versetzen können. Der Londoner Tower am Ufer der Themse, diese fast tausend Jahre alte Festung, dient nicht nur als Burg und Palast. Als Hort für die Kronjuwelen der Könige und Königinnen bis zu Elisabeth der Zweiten heute. Sondern war auch Gefängnis und Hinrichtungsstätte.

„Du wirst im Tower von London übernachten“, mich hat das in diesem Oktober glücklich gemacht. Ich durfte zu Gast sein im Pfarrhaus des Towers. Dort lebt der Chaplain, der Pfarrer des Towers, mit seiner Familie. Er hält Gottesdienste an den beiden ehrwürdigen Kirchen dort und betreut als Seelsorger Hunderte von Frauen und Männern, die im Tower arbeiten. Klar: Mein Aufenthalt war ein besonderer Freundschaftsdienst durch die Partnerschaft zwischen englischer und deutscher Kirche. Doch kann jeder nicht nur als Tourist den Tower besuchen. An vielen Sonn- und Feiertagen kann man dort Gottesdienst und Abendmahl mitfeiern und die englischen Kirchenlieder hören und mitsingen, die ich wundervoll finde.

Gerade jetzt sind Besuche, Gespräche und Gebete wichtig. Zwischen Briten und anderen Europäern. Auch innerhalb Großbritanniens, wo der Riss durch viele Familien geht, was den Brexit betrifft. In England haben mir öfters Leute gesagt: Gerade jetzt bedeutet es viel, wenn es zwischen uns mehr gibt als Tauziehen in der Politik.

Europa ist mehr als Austausch von Wirtschaft, Geld und Technik. Zur Seele Europas gehört, dass sich seine Bürger verständigen, auch wenn sie verschieden sind. Da leistet der christliche Glaube einen Beitrag. Die Christen selbst haben in der Ökumene mühsam, aber inzwischen oft erfolgreich gelernt: Man kann Gutes zusammen machen, wenn im Mittelpunkt steht, was wir gemeinsam haben – und gleichzeitig Platz ist für unsere Unterschiede.

Diese Netzwerke tragen jetzt, wo andere Fäden zu reißen drohen. Über Länder hinweg gibt es Partnerschaften, so ähnlich wie die Idee der Partnerstädte. Kirchengemeinden besuchen sich gegenseitig, fördern zusammen soziale Projekte oder nehmen junge Freiwillige für eine Zeit auf. Allein schon herzliche Gespräche sind kostbar, ich hab’s gerade erlebt. Nach den meisten englischen Gottesdiensten sind die Tasse Tee oder Kaffee und ein bisschen Reden selbstverständlich. Immer wird man liebenswürdig dazu eingeladen. Eine Frau hörte, dass ich aus Frankfurt am Main komme, das sie mal besucht hatte. Sie hat beim Abschied meine Hand genommen und gesagt: „Ist es nicht wunderbar? Jesus Christus bringt uns zusammen und hält uns zusammen.“

Dass das auch innerhalb Britanniens so bleibt, ist erklärtes Ziel vieler Gemeinden. Sie organisieren sogenannte Tee- und Gebete-Meetings. Das gemeinsame Lesen in der Bibel gibt Impulse, ins Gespräch zu kommen. Auch darüber, welche Auswirkungen der Brexit hat in der Familie oder im Freundeskreis. Und, egal, auf welcher Seite man steht: Man fragt sich gegenseitig: Was können wir beitragen für eine sozial gerechtere Gesellschaft, für eine bessere Zukunft für die nächsten Generationen?

Der englische Erzbischof Justin Welby hat es so gesagt: Eines Tages werden die Kirchen zur Rechenschaft gezogen werden, wie sie sich in diesen Zeiten verhalten haben. Er fragt: Werden wir die sein, die Spannungen und Feindschaft entschärft haben? Die zu Anstand und Respekt aufgerufen haben? Die nicht aufgehört haben zu beten für das Land und die Gemeinschaft?

Ich habe im Tower von London und an vielen Orten Menschen getroffen, die das tun. Ich habe ein Gebet mitgesprochen, das in England in vielen Gottesdiensten zu hören ist. Ich spreche es am Ende dieses Jahres auch für mein Land und für Europa. Es geht so:

Gott, du schenkst Hoffnung in diesen Zeiten, in denen sich viel verändert. Bring uns zusammen und leite die, die regieren, mit deiner Weisheit. Gib uns Mut, unsere Ängste zu überwinden. Hilf uns, eine Zukunft zu gestalten, in der alle gedeihen und alle teilen können.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Informationen über die beiden Kirchen im Tower St. Peter ad Vincula und St. Johannes, ihre Gottesdienste und Konzerte: https://www.thechapelsroyalhmtoweroflondon.org.uk/

Eine Möglichkeit, sich anzumelden für die „Zeremonie der Schlüssel“ jeden Abend im Tower: https://www.hrp.org.uk/tower-of-london/whats-on/ceremony-of-the-keys/#gs.kfywdt

Die Impule und Gebete der Kirche von England zum Thema Brexit: https://www.churchofengland.org/together

Das „Das Gebet für die Nation“ steht ebenfalls auf der Website https://www.churchofengland.org/together

„God of hope, in these times of change, unite our nation and guide our leaders with your wisdom. Give us courage to overcome our fears, and help us to build a future in which all may prosper and share; through Jesus Christ our Lord. Amen.“

 

 

18.07.2019
Heidrun Dörken