Gott in allem was lebt

Morgenandacht
Gott in allem was lebt
30.10.2019 - 06:35
18.07.2019
Petra Schulze
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Es ist Karneval. Wie alle anderen Kindergartenmädchen möchte ich als Prinzessin gehen. Meine Mutter will meinen Bruder und mich aber als Cowboy und Indianer verkleiden. Am Ende ist mein Bruder dann der Cowboy und ich bin in einem Indianer-Häuptlingskostüm unterwegs. Mit einem prächtigen Federschmuck und einer Friedenspfeife.

 

Indianer sein. Wie Winnetou. Eine, einer von den Guten. Das war toll! Karl May prägte in meiner Grundschulzeit mein Bild von den Indianern – oder den indigenen Völkern, wie man heute sagt. Und auf dem Gymnasium hatte einer unserer Lehrer Kontakt zu einem echten Häuptling aus Nord-Amerika. Der kam in unsere Klasse und erzählte uns, wie Indianer leben. Von Reservaten und von schweren Zeiten für die „First Nations“, die ersten Nationen, die dann von den Weißen verdrängt und abgeschoben wurden. Von ihrem Glauben erzählte er und ihrer tiefen Verbundenheit mit der Natur. Mich hat das nie losgelassen.

 

In der Bibel gibt es Spuren von einem Glauben in Israel, der tief in der Natur wurzelt. Bäume hat man damals zu Göttinnen und Göttern erhoben. Später wurde das verstanden als Affront gegen den Ewigen und einzigen Gott. Doch der ist seinen Geschöpfen, den Gestirnen, dem Wasser, den Pflanzen gar nicht fern. In den Psalmen lese ich davon:

 

„Der Himmel verkündet Gottes Hoheit und Macht, das Firmament bezeugt seine großen Schöpfungstaten. Ein Tag erzählt dem nächsten davon, und eine Nacht sagt es der anderen weiter. Dies alles geschieht ohne Worte, ohne einen vernehmlichen Laut. Doch auf der ganzen Erde hört man diese Botschaft, sie erreicht noch die fernsten Länder.“ (Psalm 19,2-5, Hoffnung für alle)

 

Hören auf die Schöpfung Gottes und an Gott glauben – das gehört zusammen.

In der protestantischen Theologie ist diese tiefe Verbundenheit zur Natur lange verloren gegangen. Gott im Wald finden – das durfte man an den Unis zu meiner Studienzeit kaum denken. Gott – der ganz andere, der fremde, der Ewige, der einzige Gott. Wenn Gott ins Jenseits verfrachtet wird, dann ist es leichter, mit der Umwelt so umzugehen, wie wir Menschen es gerade tun. Sie auszubeuten, statt sie zu bebauen und zu bewahren.

Deshalb fühle ich mich immer wieder hingezogen zu Menschen, die im Leben selbst Gott finden. Und deswegen mit der Natur anders umgehen: mit Pflanzen, Tieren, den Elementen Wind, Wasser, Luft und Erde, Feuer. In der Hauptstadt Kanadas, in Ottawa, habe ich im Historischen Museum indigene Skulpturen von Tieren bestaunt, in denen die Persönlichkeit des jeweiligen Tieres sichtbar war. Oder Totempfähle, das sind Wappen der Clans. Ein Totem ist ein Tier oder eine Pflanze, der sich die Familienmitglieder sehr verbunden fühlen. Von denen sie sich beschützt fühlen. Mit der Darstellung von Tieren in der Kunst, machen die indigenen Völker auch die Geister der Welt sichtbar. Die Ungeister wie die guten, schützenden und heilsamen Geister. Es sind Versuche, die Kräfte auszudrücken, die in der Welt wirken. Auch unsichtbar. Auch auf dem Grund unserer Seelen. Böses wie Gutes. Kräfte in uns selbst. Die uns beherrschen wollen. Und die wir in Kultur und Religion zu bändigen versuchen. Damit wir zusammenleben können, damit wir uns und die Erde nicht ausbeuten, bis nichts mehr etwas hergibt und alles vergiftet ist.

 

Davon will ich lernen und auch die eigenen Wurzeln wieder neu entdecken. Der Mensch – ein Geschöpf in der von Gott geschaffenen Welt. Diese Welt erzählt von ihm und ist von ihm durchdrungen. So erzählt es der biblische Psalm. Wenn es dort heißt: Ehre Gott! Dann heißt das auch: Ehre den Baum, den Strauch, den kleinen Vogel, das Wild, das du jagst, um dich zu ernähren, den Wasserreis und die Beeren, das Korn und die Äpfel, die Erde, die du bebaust und die Luft, die wir alle atmen. Das Wasser, das uns am Leben hält.

 

Eine Frau der First Nation erzählte uns von ihrem Glauben: Als Katholikin glaubt sie an Gott. Und der Traumfänger an ihrem Schlafzimmerfenster hilft ihr, die Albträume der Nacht einzufangen. Das ist kein Aberglaube – das ist schlicht ein Ritual, um Schlechtes im Leben einzufangen. Damit man es morgens aus den Federn schütteln und im Licht der Sonne sich auflösen lassen kann.

 

Mit den unsichtbaren Kräften rechnen, die Natur respektieren. Auch die eigene. Die oft unbekannte Tiefen und Abgründe hat. Glänzende und wohltuende, genauso wie dunkle, zerstörerische. Das nennt man auch Gottesfurcht. Heilsam für Mensch und Natur.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.07.2019
Petra Schulze