Gott macht Menschen

Morgenandacht
Gott macht Menschen
25.05.2021 - 06:35
19.05.2021
Evamaria Bohle
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Mein Gott, du ewige Anfängerin mit deinen lehmigen Händen. Es ist nebelig, feucht. Zu sehen gibt es nichts, als du deine erste Figur formst. Nichts ist zu sehen. Niemand beobachtet ir-gendetwas. Blindheit - wurde noch nicht erfunden. Keiner sieht mit dem Herzen gut. Das We-sentliche bleibt unsichtbar. Und du bist allein. Mein Gott! 
Die Leere jedenfalls ist wüst. „Die Sträucher auf dem Feld waren noch nicht auf Erden. Und all das Kraut war noch nicht gewachsen.“ Nur Himmel und Erde, nur Feuchtigkeit über dem Mut-terboden. Und du, Gott, im Dazwischen. Unbeschreiblich. In Worte verhüllt. „Es werde Licht“, steht auf einem anderen Blatt.

Und du begreifst dein erstes Geschöpf, Gott, formst es aus Feuchtigkeit und Mutter Erde. „Adama“. Hebräische Buchstaben für einen Stoff, in dem Leben wartet. Die alten Worte vib-rieren mir im Hirn, vernebeln das Denken, lassen das Wissen verschwimmen. „Ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land.“
Mein Gott, du ewiger Anfänger mit dem langen Atem. Noch steht kein Mensch im Garten Eden. Auch Jenseits von Eden schreibt niemand Geschichte. Erkenntnis wächst nicht auf Bäumen. Worte sind Mangelware. Lebendigkeit ist nicht einmal ein Wort. Noch schweigen Engel und Schlange. Auch du, Gott, schweigst dich aus. 
Aber du bist da und dein Werk, der Erdling. Adam aus Adama. Mensch aus Ackerlehm. Zwi-schen Himmel und Erde. Mensch - kein Tier, keine Pflanze, kein Gott. Ein Machwerk. Dein Machwerk, mein Gott.  Atemlos geformt. Aus Erde, aus Nebel. Noch kein Wesen, mehr Ding. Kein Körper, eine Gestalt. Zerbrechlicher Prototyp deiner Sehnsucht nach Antwort. Mein Gott, wie allein du bist. 

Was haben die gedacht, die dich so beschrieben haben? „Lasst uns Menschen machen, ein Ge-schöpf, das uns gleich sei“, kritzelt jemand auf ein Papier. Einen Papyrus. Eine Tontafel. Je-mand atmet ein, atmet aus, führt den Griffel, fasst sich an die Stirn, kneift die Augen zu-sammen. Sinnt nach. Sucht Worte. Ein des Schreibens kundiger Geschichtenerzähler fragt sich: „Was wage ich hier eigentlich, ich sterbliches Menschlein? Zu schreiben von Adonai, also, von Gott. Aufzuschreiben, wie alles begann. Wer bin ich? Wer bist du? Wo bin ich Menschenskind? Wie sage ich es, sodass es wahr bleibt?“, fragt der schreibende Mensch weiter. „Dass wir nichts wissen können über dich, Gott, und deinen Anfang mit uns.“ Wir Menschenkinder. Nur Nebel. Am Anfang. Und ein paar Handvoll Erde. Und du, mein Gott, mit deinen Gedanken. Von uns. Von unseren Möglichkeiten. 

„Da machte Adonai, also Gott, den Menschen aus Erde vom Acker. Adam aus adama. Gedanke aus ferner Sprache über Räume und Zeiten getragen bis in unsere Worte. Übersetzt. Wer über-setzt kommt an ein anderes Ufer. Du machst dir die Hände schmutzig mit uns, mein Gott. Da macht Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Acker. Und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so war der Mensch ein lebendiges Wesen“, schreibt einer vor fast 3000 Jahren. In unserem Jahrtausend blinkt ein Cursor am Ende der Zeile.

Und alle wissen, dass es ganz anders war, mein Gott, Anfänger und Vollenderin des Glaubens. Urknall, Evolution und so weiter. Buchstäblich ist nicht wahr, was in der Bibel steht. Und doch ist es wahr. Jenseits der Worte. Du lässt sie Fleisch werden. Ich liebe es, dein Geschöpf zu sein. Atmend und erdverbunden. Ich liebe, wie hinter den Buchstaben, zwischen den Zeilen, aufschimmert, dass du in jedem Menschen atmest. Mit einem Hauch fängst du etwas an mit uns und lässt uns dann frei.
 

Es gilt das gesprochene Wort.


 

19.05.2021
Evamaria Bohle