Trauern an den Feiertagen

Wort zum Tage
Trauern an den Feiertagen
18.12.2018 - 06:20
07.09.2018
Florian Ihsen
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„Mir graut es vor den Feiertagen“, erzählt Johanna. Sie ist heute mal wieder ins Café für die Seele gekommen, ein Treff für Trauernde. „Zur Zeit ist es ganz schlimm...bei den Weihnachtsliedern muss ich gleich losheulen, weil ich an dann immer an ihn denke. Dabei ist das ja schon drei Jahre her, dass mein Mann gestorben ist. Letztes Jahr war Weihnachten entsetzlich. Ich hab mich total verkrochen zu Hause.“

 

Mit Johanna am Tisch sitzt Herbert, Mitte 70. Er ist zum ersten Mal im Café für die Seele. Herbert rührt ziellos in seinem Tee. Seine Augen blicken ins Leere. „Meine Frau ist vor drei Monaten gestorben“, erzählt er leise. „Die Kinder haben mich eingeladen, die Feiertage bei ihnen zu verbringen. Da ist viel los. Die Enkel tollen rum. Eigentlich schön. Aber – ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob ich das will…“

 

Als Leiter eines Trauercafés hatte ich immer wieder mit dieser Frage zu tun. Und als trauernder Angehöriger kenne ich die Frage auch selbst: Wie verbringe ich Weihnachten, wenn mir ein lieber Mensch da so arg fehlt?

 

Ich weiß: Am wichtigsten ist: Die Trauer annehmen und akzeptieren, gerade an Weihnachten. Leicht gesagt, schwer zu machen. Gerade beim ersten und zweiten Weihnachten in der neuen Situation ist man noch im Ausnahmezustand.

 

Dann ist es hilfreich, die Feiertage genau zu planen. Was möchte ich wann mit wem machen? Je detaillierter meine Pläne sind, umso mehr Sicherheit bekomme ich. Ich muss mich ja dann nicht unbedingt an alles halten…

 

Gewohnte Rituale an Weihnachten überprüfen: Was tut mir gut? Was will ich beibehalten von dem, was wir früher gemeinsam erlebt haben? Das Kochen für Familie und Freunde, der geschmückte Baum? Welche neuen Rituale sollten dazukommen? Der Gang auf den Friedhof vielleicht. Das Entzünden einer Weihnachtskerze auf dem Grab oder in der Gedenkecke zu Hause. Etwas vom Weihnachtsschmuck von zu Hause aufs Grab bringen.

 

Wichtig ist: Kinder trauern auch. Sie trauern anders als Erwachsene und werden da leicht übersehen. Kinder brauchen auch Rituale, um an den Feiertagen damit umzugehen, dass sie nicht mehr da ist: die Oma, der Mensch, der fehlt.

 

Manchmal tut auch Stille gut. Ein Abend für sich, in bewussten Gedanken an den Verstorbenen. Oder auch ein Spaziergang. Womöglich ein Gang in die Sauna.

 

Eine Kirche, ein Gottesdienst kann ein guter Ort für Trauer sein. Auch wenn es wehtut. Bei dem, auf dessen Nähe ich im Gottesdienst hoffe, werden die Tränen, die Gedanken und Gebete gut aufgehoben sein.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

07.09.2018
Florian Ihsen